Flugzeugbauer

Boeing-Krise rüttelt Chefetage durch

Beim kriselnden Flugzeugbauer Boeing kündigen der CEO und der Verwaltungsratschef ihren Rücktritt an. Ihre Nachfolger werden sich mit wütenden Kunden und rechtlichen Problemen auseinandersetzen müssen.

Boeing-Krise rüttelt Chefetage durch

Krise um 737 Max rüttelt
Boeing-Chefetage durch

Von Alex Wehnert, New York

CEO David Calhoun ist bei Boeing einst als Krisenmanager angetreten, nun kosten ihn zahlreiche Pannen seinen Job.

Inmitten der Krise um den Pannenflieger 737 Max rüttelt Boeing die Chefetage durch. Wie das Unternehmen zu Wochenbeginn ankündigte, gibt CEO David Calhoun seinen Posten zum Jahresende auf – bis dahin soll er noch begonnene Projekte abschließen und den Flugzeugbauer „für die Zukunft stabilisieren“.

Der unabhängige Verwaltungsratsvorsitzende Larry Kellner will bei der anstehenden Hauptversammlung nicht zur Wiederwahl antreten, an seiner Stelle soll der Ex-Chef des Chipherstellers Qualcomm, Steve Mollenkopf, das Gremium führen und die Suche nach einem Vorstandsvorsitzenden organisieren. Unterdessen muss auch der Leiter der Verkehrsflugzeugsparte, Stanley Deal, seinen Hut nehmen, ihm folgt mit sofortiger Wirkung die seit Jahresbeginn als Chief Operating Officer amtierende Stephanie Pope nach.

Alaska-Panne tritt Krise von Neuem los

Calhoun steht seit dem Beinahe-Unglück einer Boeing 737 Max 9 Anfang Januar im Dauerfeuer der Kritik. Aus der Maschine der Alaska Airlines war nach dem Start in Portland, Oregon, in 4.900 Metern Höhe ein Rumpfteil herausgebrochen, durch einen Zufall kamen die Passagiere weitestgehend mit dem Schrecken davon. Die Panne folgte auf zwei tödliche Unglücke des Vorgängermodells 737 Max 8 in den Jahren 2018 und 2019.

Auch bei anderen Baureihen kommt es in jüngster Zeit zu Zwischenfällen: Anfang März sprang beim Start in San Francisco ein Rad von einer Maschine des Modells 777 der United Airlines ab. Kurz darauf verlor ein 787 Dreamliner der chilenischen Latam auf einem Flug von Sydney nach Auckland plötzlich an Höhe. Dabei wurden 50 Menschen verletzt.

Airline-Chefs frustriert

Die Frustration der Airline-Verantwortlichen, die ihre Max-9-Maschinen nach einem Flugverbot durch die Luftfahrtaufsicht FAA zu Jahresbeginn wochenlang aus dem Verkehr ziehen mussten, hat in der Folge stetig zugenommen. Zuletzt hat eine Gruppe aus Vertretern der größten US-Carrier sich laut Insidern direkt an den Verwaltungsrat gewandt und persönliche Treffen erbeten – ein ungewöhnliches Zeichen der Unzufriedenheit über Calhoun und seinen Vorstandskollegen. Nun soll mit Mollenkopf bereits der neue Vorsitzende des Kontrollgremiums an diesen Besprechungen teilnehmen.

Der Chef des irischen Billigfliegers Ryanair, Michael OLeary, sagte am Montag, er „begrüße die dringend benötigten Veränderungen“ auf der Boeing-Führungsebene. Seine Airline hatte zuletzt angekündigt, ihre Flugpläne über den Sommer einschränken zu müssen, da sie mit weniger Lieferungen durch den Flugzeugbauer rechne als zuvor angepeilt.

Ermittlungen laufen

Bei der Suche nach einem neuen Vorstandschef will Boeing sich nun sowohl innerhalb als auch außerhalb des eigenen Managements umsehen. Calhoun, der 2020 als Krisenmanager geholt wurde und im kommenden Monat 67 Jahre alt wird, bereitete sich angeblich schon vor den jüngsten Pannen auf einen Rücktritt vor. Die neue Verkehrsflugzeug-Chefin Pope gilt als Wunschkandidatin des Verwaltungsrats für die Nachfolge. Insbesondere nach dem Alaska-Zwischenfall ist der Druck, frische Kräfte ans Steuer zu setzen, allerdings gewachsen.

Die neuen Spitzenmanager des Konzerns stehen vor einer schweren Aufgabe. So hat eine Prüfung der FAA, die keine weiteren Produktionssteigerungen der 737 Max mehr zulassen will, Dutzende Probleme im Fertigungsprozess des Modells sowohl bei Boeing als auch beim Zulieferer Spirit Aerosystems zutage gefördert. Zum Alaska-Airlines-Zwischenfall laufen Ermittlungen der Verkehrssicherheitsbehörde NTSB und des US-Justizministeriums. Durch letztere Untersuchung steht ein milliardenschwerer Vergleich aus dem Jahr 2021 auf der Kippe.

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