CEO von Wells Fargo überlässt Aufräumarbeiten dem Nachfolger
Von Stefan Paravicini, New York”Zu sagen, dass der vergangene Monat schwierig war, wäre eine Untertreibung”, sagte John Stumpf (63), CEO und Chairman der skandalgeschüttelten US-Bank Wells Fargo, am Dienstag nach Angaben des “Wall Street Journal” in einer Telefonkonferenz mit 500 Managern über die aktuelle Lage und die Aussichten des Instituts. Da hatte Stumpf den Board offenbar bereits davon in Kenntnis gesetzt, dass er früher als geplant von seinen Funktionen zurücktreten will. Sofortiger RücktrittAm Mittwoch wurde Stumpf nach fast zehn Jahren an der Spitze der Bank aus San Francisco mit sofortiger Wirkung von seinen Posten entbunden, wie das Institut am Abend mitteilte. Die Aufräumarbeiten in den nächsten Monaten, die für Wells Fargo ebenso schwierig werden dürften wie die vergangenen Wochen, wird der bisherige COO und designierte Nachfolger, Tim Sloan (56), ab sofort allein dirigieren. Chairman wird Stephen Sanger, ehemaliger CEO und Chairman von General Mills und bei Wells Fargo bisher unabhängiges Mitglied im Board.Der Bedarf für eine Grundreinigung wurde vor etwas mehr als einem Monat offenbar, als die Retailbank eine Strafe der US-Regierung in Höhe von 185 Mill. Dollar wegen dubioser Vertriebspraktiken akzeptierte. Unter anderem wurde öffentlich, dass in den vergangenen Jahren mehr als 2 Millionen Phantomkonten ohne Einverständnis von Kunden eröffnet wurden. Stumpf wurde vom Senat zu einem Hearing vorgeladen und unmissverständlich aufgefordert, persönliche Konsequenzen zu ziehen.”Sie sollten zurücktreten”, sagte Elizabeth Warren, Senatorin der Demokraten aus dem Bundesstaat Massachusetts. “Gegen Sie sollten strafrechtliche Untersuchungen sowohl vom Justizministerium als auch von der Finanzmarktaufsicht SEC aufgenommen werden.” Gregory Meeks, Senator aus New York und ebenfalls Demokrat, bezeichnete Wells Fargo während des Hearings als “kriminelles Unternehmen” und stellte Stumpf mit Blick auf seine eigene Verantwortung die rhetorische Frage, ob er denn auch jemanden aus seiner Bank hinausspazieren ließe, der sie gerade ausgeraubt hat.Kritik gab es auch von Trittbrettfahrern. Lacy Harber, ein 80-jähriger Milliardär aus Texas, schaltete in der vergangenen Woche ganzseitige Anzeigen in der “New York Times” und im “San Francisco Chronicle”, die die Angelegenheit in großen Lettern auf die Begriffe “Gier. Unaufrichtigkeit. Betrug. Wells Fargo” brachten. Harber ist freilich kein Geschädigter der Phantomkonten von Wells Fargo, sondern wegen eines geplatzten Aktiengeschäfts sauer, das ihn angeblich 5 Mill. Dollar kostete. Die Anzeigen ließ sich der Wutbürger 250 000 Dollar kosten.Sorgen muss man sich um Stumpf keine machen, auch wenn er wegen der Affäre schon auf Vergütungsbestandteile in Höhe von 40 Mill. Dollar verzichtet hat. Seit dem Jahr 2000 hat Stumpf nach Angaben in Vergütungsberichten mehr als 250 Mill. Dollar verdient, davon 23 Mill. Dollar Grundgehalt, 44 Mill. Dollar Boni und 190 Mill. Dollar in Aktienoptionen. Seine Pensionsansprüche summieren sich auf 24 Mill. Dollar.Stumpf wuchs im Bundesstaat Minnesota als eines von elf Kindern eines Milchbauern auf. Die Karriere startete er 1982 bei Norwest Corp. in Minneapolis, die 1998 von Wells Fargo übernommen wurde. In dem fusionierten Konzern übernahm er die Verantwortung für das Retailgeschäft in Arizona, New Mexico und Texas. Stumpf kletterte rasch nach oben, wurde 2005 zum President und 2007 zum CEO berufen. Banker of the Year 2013An der Konzernspitze angekommen, lag das Platzen der Immobilienblase bereits in der Luft. Wells Fargo etablierte sich in der anschließenden Finanzkrise als ein Fels in der Brandung und konterte 2008, als viele Bankentürme gefährlich wankten, Citigroup im Rennen um Wachovia aus. Stumpf wurde 2013 von der Zeitschrift “American Banker” zum Banker of the Year ernannt und kam bei Morningstar als CEO des Jahres 2015 zu Ehren, weil sich das Institut auch bei der Abwicklung der Finanzkrise und vorangegangenen Skandalen aus den Schlagzeilen hielt.Der Nachfolger Tim Sloan ist nach 29 Jahren ebenfalls ein Wells-Fargo-Veteran. Er kletterte anders als Stumpf aber nicht in der unter dem Brennglas stehenden Retail-Sparte, sondern im Investment Banking und im Geschäft mit Unternehmerkunden nach oben.