Chefökonom der OECD wird Gouverneur der Banco de Portugal
Ein ehemaliger Wirtschaftsminister löst einen früheren Finanzminister an der Spitze der portugiesischen Notenbank ab. Die konservative Regierung von Luís Montenegro gab am Donnerstag bekannt, dass der aktuelle Chefökonom der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Álvaro Santos Pereira, neuer Gouverneur der Banco de Portugal wird. Das Mandat von Mário Centeno, das diesen Monat endet, wird nicht verlängert. Zwischen dem früheren Finanzminister der sozialistischen Regierung von António Costa und der Montenegro-Regierung gab es zuletzt reichlich Spannungen. Santos Pereira sei einfach der bessere Kandidat für die Notenbank, versicherte die Regierung in Lissabon.
Von der OECD zur Banco de Portugal
ths Madrid
Die Konservativen hatten 2020 den direkten Wechsel Centenos vom Finanzministerium zur Banco de Portugal kritisiert. Bei Santos Pereira verhalte sich der Fall anders, beteuerte die heutige Regierung. Er sei ein unabhängiger Kandidat, da kein Parteimitglied der PSD von Montenegro, und seine Zeit als Minister läge zudem lange zurück. Der 53-jährige Volkswirt war von 2011 bis 2013 unter dem konservativen Ministerpräsidenten Pedro Passos Coelho Minister für Wirtschaft und Arbeit.
Zuvor legte der Mann aus Viseu eine lange akademische Laufbahn hin, unter anderem als Lehrstuhlinhaber an der University of British Columbia und der Simon Fraser University in Kanada. Santos Pereira besitzt neben der portugiesischen auch die kanadische Staatsbürgerschaft.
Als Minister war der zukünftige Notenbanker für die unpopulären Sozialeinschnitte und Reformen unter dem Rettungsschirm für Portugal mitverantwortlich. Eine Arbeitsmarktreform seines Hauses sollte mehr Flexibilität liefern, doch die Beschneidungen der Arbeitnehmerrechte sorgten für sozialen Sprengstoff. Santos Pereira ging 2014 nach Paris zur OECD, wo er übergangsweise als Chefökonom wirkte, bevor er vor einem Jahr auch offiziell diesen Posten übernahm. Der promovierte Volkswirt der Simon Fraser University bringt viel Erfahrung im Bereich der Wirtschaftsanalyse zur Notenbank mit. Die Bankenaufsicht ist dagegen ein weitgehend neues Feld für ihn.
Zinspause gefordert
In geldpolitischen Fragen ist Santos Pereira weniger Taube als sein Vorgänger Centeno. Anfang Juli, als die Inflationsrate in der Eurozone auf 2% sank, sprach er sich für eine Pause bei den Zinssenkungen aus. „Es ist wichtig, dass die Notenbanken sich Spielraum bewahren, um auf neue Shocks reagieren zu können, idealerweise nicht in einer Situation, wo die Zinsraten gegen Null tendieren“, erklärte er in der portugiesischen Zeitung Público. Im Falle der Europäischen Zentralbank sei man „in einer Situation, in der weitere Zinssenkungen wahrscheinlich nicht so wichtig sind“, meinte er.
Santos Pereira muss noch vom Parlament angehört werden, was eine reine Formalität ist. Sein Amtsantritt wird für September erwartet. Bis dahin leitet der Vizegouverneur Luís Máximo dos Santos die Geschäfte bei der Banco de Portugal.