People's Bank of China

Chinas Zentralbankchef wird als Immobilienkrisenmanager gebraucht

Chinas Zentralbankchef wird als Immobilienkrisenmanager gebraucht

Kurz nach seiner einigermaßen überraschenden Berufung zum Gouverneur der People‘s Bank of China (PBOC) hat Pan Gongsheng erste Akzente gesetzt, die erkennen lassen mögen, warum Chinas Parteiführung in einer Zeit konjunktureller Besorgnis ihm das Vertrauen schenkt. Pan, der sich in seinem bisherigen Wirken als Vizegouverneur und Chef der State Administration of Foreign Exchange (SAFE) vor allem als Währungsprofi einen Namen gemacht hat, soll auf Chinas haarigstes Finanzstabilitätsproblem, nämlich die Verschuldungskrise der Immobilienentwickler, einwirken.

Jetzt traf sich Pan mit den Chefs führender Immobilienkonzerne und Großbanken, um über die Finanzierungsengpässe der Bauträger und ihre Liquiditätsversorgung zu beraten. Danach ließ er wissen, dass die PBOC Unterstützungsprogramme für Anleiheemissionen ausweiten werde. Man werde dazu beitragen, „vernünftigen Finanzierungsbedürfnissen“ der Immobilienentwickler entgegenzukommen, um zu einer gesunden Entwicklung des Wohnungsmarktes beizutragen.

Solche Äußerungen mögen reichlich unspektakulär klingen. Bedeutsam ist das plakative Treffen des PBOC-Gouverneurs mit schwarzen Schafen aus der Immobilienbranche und potenziellen Rettern im Kreditgewerbe dennoch. Es zeigt, dass er sich in einer für chinesische Zentralbanker eher ungewöhnlichen Rolle des Troubleshooters wiederfindet. Der 60-jährige Pan bringt dafür einige gute Voraussetzungen mit. Er hat seine Sporen in der Kreditbranche und der Finanzmarktpraxis verdient und ist dabei als effizienter Problemlöser aufgefallen.

Der aus einer Bauernfamilie in der Provinz Anhui stammende Ökonom fand seine erste Anstellung in der Immobilienkreditabteilung der staatlichen Großbank Industrial and Commercial Bank of China (ICBC). Pan, der sich aus persönlicher Affinität heraus hervorragende Englischkenntnisse anzueignen wusste, avancierte bei der ICBC zu einem Hauptakteur für die Vorbereitung ihres damals weltgrößten Initial Public Offering (IPO) im Herbst 2006. Seine Akribie im Umgang mit internationalen Kapitalmarktregularien brachte ihn vier Jahre in eine ähnliche Rolle beim IPO der Agricultural Bank of China.

Mit diesem Erfolg im Rücken ging Pan für eine akademische Auszeit in die USA an die Harvard Kennedy School und setzte dann zu einer Top-Karriere in der Finanzregulierung an. Er wurde 2012 als PBOC-Vizegouverneur berufen. Vier Jahre später übernahm er die Führung der bei der Zentralbank angedockten Währungsreservenbehörde SAFE.

Yuan-Stabilisierung

Die Verwaltung des weltgrößten Devisenhorts wurde Anfang 2016 zum Krisenmanagerjob, als die PBOC mit einer Reform des Wechselkurssteuerungssystems auf Schwierigkeiten stieß. Daraus resultierten hohe Kapitalabflüsse, die zum rapiden Abschmelzen der Devisenreserven führten und die Pekinger Führung nervös machten. Hinzu kam eine Akquisitionswelle chinesischer Konglomerate, deren milliardenschwere Prestigekäufe in den USA und Europa einen gewaltigen Kapitalexport bedingten.

Damals machte sich Pan trotz grundsätzlich liberalisierungsfreudiger und reformzugewandter Instinkte für eine harte Linie mit verschärften Kapitalverkehrsbeschränkungen stark, die weiter Bestand haben. Gleichzeitig plädierte er dafür, der Shoppingtour hochverschuldeter Firmen ein Ende zu bereiten. Die Erfahrungen mit dem Expansionsrausch brachten ihn zu einer anderen Verschuldungsproblematik. Er wirkte bei der Finanzstabilitätskampagne mit, die den Wildwuchs der Immobilienentwickler anging. Daraus entstand die Regulierungsmatrix mit „roten Linien“ als Verschuldungsgrenzen, die den Zugang zu weiteren Finanzierungsquellen beeinflussten.

Freilich braucht es einen Sanierungsprozess, bei dem die Immobilienkonzerne von der Kreditwirtschaft weiter alimentiert werden, ohne sie mit Ausfallrisiken zu überlasten. Auch die geldpolitische Kurssetzung erfordert Fingerspitzengefühl. Es gilt die Konjunktur mit monetären Impulsen anzuregen, ohne sich in Sachen Yuan-Stabilität eine Blöße zu geben.

Peking hat sich für Pan als einen pflichtbewussten und hochqualifizierten Technokraten entschieden, der sich zudem auf internationaler Bühne wohlfühlt. Dass es sich dennoch um eine Überraschung handelt, liegt am politischen Umfeld, in das sich die PBOC einordnet. Nach dem Parteikongress im Herbst 2022 waren sowohl Gouverneur Yi Gang wie auch Pan nicht mehr im Zentralkomitee der Partei vertreten, was normalerweise das Aus bedeuten würde. Beim Volkskongress im März wurde die PBOC-Führung aber dennoch zunächst unverändert belassen.

Manche dachten, dass Yi trotz Erreichen der Pensionierungsgrenze am Ruder bleiben würde. Dann aber wurde Anfang Juli Pan überraschend zum Parteichef der PBOC berufen, eine hierarchisch dem Gouverneursjob überlegene Position, die Yi selber nie innehatte. Ende Juli schließlich verkündete Peking auch das Ausscheiden von Yi und die Ernennung von Pan zum Gouverneur. Er sitzt nun fest im Sattel, ohne aber in politischen Parteigremien vertreten zu sein. Damit bringt Peking noch klarer zum Ausdruck, dass die PBOC ein rein ausführendes Organ ist, von dem man in erster Linie technokratische Kompetenz verlangt.

Chinas Zentralbankchef wird zum Immobilienkrisenmanager

Von Norbert Hellmann, Schanghai
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