Daniel Kretinsky übernimmt die Zügel von Casino
Kretinsky übernimmt bei Casino die Zügel
wü Paris
Epochenwechsel bei dem französischen Einzelhändler Casino. Nach fast zwanzig Jahren am Ruder hat Jean-Charles Naouri den finanziell angeschlagenen Carrefour-Konkurrenten verlassen und die Zügel des von der Familie Guichard gegründeten Unternehmens der Mannschaft von Daniel Kretinsky überlassen. Das Konsortium des tschechischen Geschäftsmannes hat Casino Mittwoch offiziell übernommen. Ihm gehören auch der französische Investor und frühere Fitch-Besitzer Marc Ladreit de Lacharrière sowie der britische Fonds Attestor an.
Der einstige Mozart der Finanzwelt sei zu einem Spatzen geworden, spottete ein Vertreter der Gewerkschaft CGT auf dem sozialen Netzwerk X über Naouri. Es seien die Mitarbeiter des Einzelhändlers, die dafür bezahlen müssten. Der Anteil der Casino-Mutter Ralley, eine von dem 75-jährigen Naouri kontrollierte Holding, wird nach der mit der finanziellen Restrukturierung einhergehenden Verwässerung auf 0,1% sinken. Dagegen hält das Konsortium Kretinskys nun 52% an dem Kapital des Einzelhändlers, der Mittwoch an der Börse von Paris auf eigenen Wunsch von der Notierung ausgesetzt wurde. Dienstag war die Casino-Aktie um 64% auf 0,11 Euro eingebrochen.
Für den in Algerien geborenen Naouri bedeutet die Übernahme des nach Verkäufen von etlichen Supermärkten an Wettbewerber stark geschrumpften Einzelhändlers ein trauriges Ende seiner Karriere. Der promovierte Mathematiker studierte nach dem Abitur mit nur 15 Jahren an den Elitehochschulen École Normale Supérieure, Harvard und der École Normale d’Administration (ENA), bevor er in der Finanzinspektion begann. Er war erst Büroleiter von Pierre Bérégovoy, als dieser Sozial-, dann Wirtschafts-, dann Haushaltsminister war. Später ging er zur Rothschild-Bank und gründete seine erste Investmentfirma Euris.
Früherer Metro-Manager
Um seine Geschäfte zu finanzieren, ohne die Kontrolle über die Mehrheit zu verlieren, setzte er bei Casino auf ein kompliziertes Geflecht verschiedener Holdings. 2015 erstreckte sich sein Imperium von Frankreich über Brasilien bis nach Vietnam. Damals beschäftigte der Konzern 325.000 Mitarbeiter. 2022 war die Belegschaft bereits auf 200.000 zusammengeschrumpft. Nach den Verkäufen werden davon bald nur noch 28.000 bleiben.
Metro-Großaktionär Kretinsky hat nun Philippe Palazzi geholt, um Casino zu restrukturieren. Der 52-jährige frühere Generaldirektor des Molkereikonzerns Lactalis hat einen Großteil seiner Karriere bei Metro gemacht. Der Absolvent der Wirtschaftshochschulen HEC und London Business School muss nun nicht nur einen Sozialplan bei Casino umsetzen, sondern auch den Firmensitz in Saint-Étienne und die Nachbarschaftsläden der Gruppe retten. Sie hat kürzlich fast alle 300 riesigen Hypermarché genannten Supermärkte an Auchan, Intermarché und Carrefour verkauft. Zu dem Konzern, den Kretinsky nun zusammen mit seinen Partnern übernommen hat, gehören auch der Onlinehändler Cdiscount sowie die Supermarktketten Franprix und Monoprix und Naturalia-Bioläden.