Fussball-Finanziers

Das teure Hobby des Herrn Kühne

Klaus-Michael Kühne ist einer der reichsten Unternehmer Deutschlands. Als Förderer des Hamburger SV ist der 86-Jährige bislang erfolglos geblieben. An diesem Sonnabend geht es wieder einmal um die Zukunft des früheren Bundesliga-Dinos.

Das teure Hobby des Herrn Kühne

Ein Kämpfer für den Hamburger SV: Das teure Hobby des Herrn Kühne

Von Carsten Steevens, Hamburg

Fan des Hamburger SV ist Klaus-Michael Kühne seit seiner Kindheit. Seinen Herzensverein unterstützt der 86 Jahre alte gebürtige Hamburger auch finanziell seit geraumer Zeit. Doch geht es dem Logistikunternehmer, der einer aktuellen Rangliste des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ zufolge mit einem geschätzten Vermögen von 38 Mrd. Dollar knapp vor Lidl-Gründer Dieter Schwarz der reichste Deutsche ist, nicht anders als anderen Fußball-
Mäzenen hierzulande, die sich für mehr Einfluss von Investoren einsetzen und angefeindet werden, weil sie auch durch ihre öffentlichkeitswirksame Einmischung in die sportlichen Belange ihres Vereins für Unruhe sorgen.

Den Sturz des Bundesliga-Gründungsmitglieds nach fünfeinhalb Jahrzehnten in die Zweitklassigkeit 2018 hat Kühne nicht aufhalten können, seit er 2010 anfing, sich finanziell zu engagieren. Damals ging es ihm, wie er 2017 in einem Interview mit dem „Spiegel“ sagte, darum, das Gefälle zu Bayern München zu verringern und den HSV, der große sportliche Erfolge zuletzt in den 1980er Jahren feierte, wieder auf Augenhöhe mit dem Rekordmeister zu bringen. Er erwarb Transferrechte an Spielern, gab Darlehen, die in Anteile am Profiklub gewandelt wurden, und kaufte die Namensrechte am Stadion, das – wie von der Fanszene gewünscht – wieder Volksparkstadion heißt. Nachhaltige sportliche Erfolge stellten sich nicht ein – auch nicht nach Ausgliederung des Lizenzspielerbereichs in die HSV Fußball AG im Jahr 2014.

„Ein Phänomen“

Hohe Erwartungen, die er mit dieser Ausgliederung aus dem Hamburger Sport-Verein e.V. verknüpfte, wurden vor allem durch Fehler in der Personalpolitik enttäuscht, wie Kühne in jenem Interview erklärte. „Der HSV ist ein Phänomen, weil die Luschen immer hier hängen bleiben.“ Dass er trotz seiner Anteile an der Fußball AG „so gut wie keinen Einfluss“ habe, hat der Unternehmer, der in der Schweiz und auf Mallorca lebt und das Geschehen beim HSV nach eigenen Worten „nur aus der Ferne“ beobachtet, wiederholt beklagt.

Erst jüngst wieder beim Fernsehsender Sky, als er sich nach der Entlassung von Trainer Tim Walter (48) am 12. Februar für die HSV-Ikone Felix Magath (70) als seinen „seit Jahren“ favorisierten Wunschkandidaten für den Posten des Trainers oder Sportdirektors aussprach. Als Nachfolger von Walter wurde jedoch Steffen Baumgart (52) verpflichtet, selbst kurz vor Weihnachten beim abstiegsbedrohten Bundesligisten 1. FC Köln freigestellt.

Aufstieg in Gefahr

Während der Bundesliga-Dino von einst im sechsten Anlauf in Folge den Aufstieg zu verpassen droht, muss sich auch Kühne weiterhin mit den Statuten der Deutschen Fußball-Liga (DFL) arrangieren, die dem Mutterverein grundsätzlich mehr als 50% der Stimmrechte in der Profifußballsparte einräumen. Der Hamburger Sport-Verein e.V. verfügt über 75,1% der Stimmrechte und Kapitalanteile an der HSV Fußball AG. Die restlichen Anteile von 24,9% verteilen sich vor allem auf Kühne (rund 13,5%) und den Versicherer HanseMerkur (6,8%) als Hauptsponsor des HSV. Eine Rechtsformänderung des Geschäftsbereichs Profifußball soll nun für neue Freiräume sorgen.

So stimmen die Mitglieder des e.V. in einer außerordentlichen Versammlung an diesem Sonnabend über eine Umwandlung in eine HSV Fußball AG & Co. KGaA ab. Erforderlich wäre eine Dreiviertelmehrheit. Zudem steht nach dem Vorschlag einer „Arbeitsgruppe Rechtsform“, die im Mai 2022 tätig wurde, ein Votum über die Möglichkeit von Kapitalerhöhungen im neuen Konstrukt und die Ausgabe neuer Aktien an. Es gehe um die Stärkung der Mitgliederrechte, zugleich aber auch um die Schaffung einer Möglichkeit, neues Kapital für den HSV einzuwerben und die Kapitalbasis zu stärken, so Michael Papenfuß, Vizepräsident des Muttervereins und Aufsichtsratsvorsitzender der HSV Fußball AG.

Mitglieder stimmen ab

Die Rechtsformänderung wäre im Sinne Kühnes, der seine Anteile erhöhen könnte. Nach Angaben im „Hamburger Abendblatt“ von Anfang Februar soll sich eine im Juni 2023 aufgesetzte Wandelanleihe des Förderers über 30 Mill. Euro in weitere Anteile von rund 8% wandeln, wohingegen die Beteiligungen der übrigen Gesellschafter durch die Kapitalerhöhung verwässert würden. Der HSV e.V. dürfte im Anschluss mit „etwas weniger“ als 70% an der Profifußballsparte beteiligt sein. Den Darstellungen in der Zeitung zufolge könnte der HSV in einer KGaA ohne Beschränkung durch DFL-Richtlinien 100% seiner Anteile veräußern. In der Satzung des Vereins soll jedoch eine Obergrenze von 50% festgelegt werden. Auch soll kein Gesellschafter mehr als 25% der Aktien erwerben dürfen.

Nach der Aufstockung der Kühne-Anteile auf mehr als 21% könnten laut dem Blatt weitere 18% veräußert werden. Dadurch erhoffe sich der HSV Einnahmen von 120 bis 130 Mill. Euro. Sollte die notwendige Mehrheit für die Rechtsformänderung bei der Abstimmung in der Mitgliederversammlung am Sonnabend nicht zustande kommen, müsste der Verein von 2028 an die 30 Mill. Euro an Kühne zurückzahlen. Mit den offenbar nicht an Bedingungen Kühnes gebundenen Mitteln will der HSV Schulden abbauen, Ablösesummen für junge Spieler zahlen, die später gewinnbringend verkauft werden sollen, sowie Investitionen in das Stadion und die Digitalisierung finanzieren.

Neue Stärkung?

Mit einem 120-Mill.-Euro-Angebot, das mit mehreren Forderungen wie einer deutlichen Ausweitung des Mitspracherechts verbunden war und das er per Pressemitteilung offenbar ohne vorherige Absprache mit den Gremien veröffentlichte, war Kühne im Sommer 2022 abgeblitzt. Ob sich nun in der Mitgliederversammlung eine neue Tür zur Stärkung des klammen HSV öffnet?

Kühne trat Anfang der 1960er Jahre in das Familienunternehmen Kühne+Nagel ein, wurde später Vorsitzender der Geschäftsleitung, Präsident des Verwaltungsrats am internationalen Firmensitz in der Schweiz und 2011 Ehrenpräsident. Über die 1993 gegründete Kühne-Holding hält er unter anderem auch Anteile an der Hamburger Containerreederei Hapag-Lloyd, der Lufthansa und am Chemikalienhändler Brenntag. Engagiert ist er überdies als Kulturförderer und in der Hotellerie. Dass Kühne als „emotionaler Fan“ und bislang erfolgloser Kapitalgeber vom HSV loslassen könnte, ist nach allen zwischenzeitlichen Äußerungen nicht zu erwarten. „Fußball ist ein teures und unglücklich verlaufendes Hobby, das ich mir einfach leiste“, sagte er im Interview dem „Spiegel“. Alle anderen Engagements seien seriös. „Deshalb verzeiht man mir vermutlich diese Schwäche.“

Während er an anderen Unternehmensbeteiligungen in der jüngeren Vergangenheit seine Freude hatte, kommt Klaus-Michael Kühne mit seinem finanziellen Einsatz beim Hamburger SV nicht voran. Doch zu seinem Herzensverein steht der Logistikunternehmer unbedingt.