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Der Herr über das Palladium

Von Eduard Steiner, Moskau Börsen-Zeitung, 10.4.2020 Um zu wissen, wie sich die Rohstoffmärkte entwickeln, muss man nicht zwingend die trockenen Charts auswerten. Man kann auch den indirekten Weg gehen und die Liste der reichsten Russen studieren....

Der Herr über das Palladium

Von Eduard Steiner, MoskauUm zu wissen, wie sich die Rohstoffmärkte entwickeln, muss man nicht zwingend die trockenen Charts auswerten. Man kann auch den indirekten Weg gehen und die Liste der reichsten Russen studieren. Nahezu alle, die die vorderen Ränge einnehmen, haben ihr Vermögen im Rohstoffsektor angehäuft. Vorwiegend natürlich in Öl oder Gas, weshalb diese Kategorie von Magnaten schwer zu toppen ist. Mit den Entwicklungen im vergangenen Jahr jedoch ist genau das passiert.Völlig untypisch preschte ein Unternehmer, der über ein Edelmetall herrscht, nach vorn und wurde laut “Forbes Magazine” mit geschätzt 19,7 Mrd. Dollar zum reichsten Russen. Sein Name: Wladimir Potanin. Sein wichtigster Rohstoff: Palladium. Sein Unternehmen: Nornickel. 34,6 % hält Potanin als Hauptaktionär an dem Konzern mit seinen rund 83 000 Mitarbeitern. Die Palladiumsparte macht die Hälfte des Konzerngeschäftes aus, die Nickelsparte an die 20 %.Bei Palladium ist Nornickel weltweit führend mit einem Marktanteil von knapp 40 %. Und Palladium war 2019 bis zum Beginn der Coronakrise das Edelmetall mit der spektakulärsten Preisentwicklung. Die Notierung kletterte im Gesamtjahr 2019 um 53,6 % auf 1941,50 Dollar je Unze, um im Februar 2020 den Höchststand von 2878 Dollar zu erreichen. Anfang 2016 hatte eine Unze noch weniger als 500 Dollar gekostet. Streit über DividendeDer Hype um Palladium, bei dem seit 2011 ein Engpass auf dem Markt herrscht, hat die Kassen von Nornickel gefüllt. Stieg der Umsatz 2019 um 16 % auf 13,6 Mrd. Dollar, so hat sich der Reingewinn auf 5,97 Mrd. Dollar sogar fast verdoppelt. Das Jahr 2019 sei eines der erfolgreichsten im vergangenen Jahrzehnt gewesen, sagte Konzernchef Potanin. Nun dürfte die Dividende um 30 % gegenüber 2018 steigen. Der Aluminiumkonzern Rusal nämlich, der mit 27,8 % an Nornickel beteiligt ist, besteht darauf. Potanin selbst ist aufgrund der Wirtschaftskrise dagegen.Finanziell in der obersten Liga spielt er ohnehin schon seit fast drei Jahrzehnten. Berühmtheit erlangte er, als er 1995 mit seiner Bank dem klammen Staat das berüchtigte Programm “Kredite gegen Aktien” vorschlug, wodurch der Staat zu günstigen Krediten kam, die Gläubiger zu Aktien großer Staatskonzerne. Er selbst sicherte sich Anteile am Metallkombinat Norilsk Nickel.Mit seinem Privatleben indes erlangte er voriges Jahr Berühmtheit, als seine Frau, die im Scheidungskrieg auf ein Drittel seines Vermögens klagte, damit in London abblitzte, weil die Richter eigenen Worten zufolge andernfalls einen “Ehescheidungstourismus” nach Großbritannien eröffnet hätten. Der fünffache Vater, der als einer der Initiatoren der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi und als Großinvestor in die dortige Tourismusinfrastruktur gilt, hat derweil ganz neue Geschäftsrichtungen für sich eröffnet. Sein spektakulärster Schachzug: Als erster Großindustrieller implementiert er für Nornickel eine Blockchain-basierte Plattform, auf der er digitale Token emittiert, mit denen Metalle gehandelt und Transaktionen beschleunigt werden können. Im ersten Jahr sollen bis zu 10 % des Verkaufs so abgewickelt werden. Potanin zielt als Pionier auf den Übergang zu digitalen Handelsinstrumenten für das Rohstoffgeschäft. Und gemeinsam mit den Konzernen BASF und Fortum will er einen Cluster zur Rückgewinnung von seltenen Rohstoffen aus E-Auto-Batterien bauen.Potanin wisse, wie zwei und zwei “fünf oder gar sechs” ergeben, sagte Michail Piotrowskij, Chef des weltberühmten Eremitage-Museums in St. Petersburg. Potanins Wohltätigkeitsfonds hat unter anderem das “Schwarze Quadrat” von Kasimir Malewitsch für die Eremitage zurückerworben. Zur sinnvollen Verwendung des eigenen Vermögens hat er sich der von Bill Gates und Warren Buffett gestarteten philanthropischen Kampagne “The Giving Pledge” angeschlossen.