Der Ostfriese Dreesen ist jetzt Chef des FC Bayern
Ein Ostfriese ist jetzt Bayern-Chef
Von Joachim Herr, München
Schon im Alter von elf, zwölf Jahren drückte Jan-Christian Dreesen dem FC Bayern München die Daumen. Im weiß-blauen Freistaat wäre das auch vor mehr als 40 Jahren nichts Besonderes gewesen. Doch Dreesen ist in Ostfriesland geboren und zur Schule gegangen. In seiner Klasse stand er mit seinem Lieblingsverein einer Übermacht von HSV-Fans gegenüber, wie er vor einigen Jahren im CFO-Interview der Börsen-Zeitung erzählte. Wohl nicht nur wegen der regionalen Nähe: Der Hamburger SV spielte damals ganz oben mit, gewann 1983 sogar den Europapokal der Landesmeister.
Seit dem Pfingstwochenende ist der 55 Jahre alte frühere Vorstand der HypoVereinsbank und der BayernLB Vorstandsvorsitzender seines Herzensvereins. Dabei hatte Dreesen längst geplant, den FC Bayern nach zehn Jahren als Finanzchef für etwas Neues zu verlassen. Auf die Frage, warum er die Aufgabe angenommen hat, antwortete er in einer Pressekonferenz mit der Routine eines Managers, sprach von einer sehr seltenen Chance und vom wichtigsten Klub in Deutschland. Jedoch ergänzte er schmunzelnd die Erklärung mit seiner Herkunft: „Und dann auch noch als gebürtiger Ostfriese!“
Krasser Gegenpol
Mit kühler norddeutscher Sachlichkeit bildet Dreesen einen krassen Gegenpol zu seinem Vorgänger Oliver Kahn, der nicht nur ein Heißsporn auf dem Fußballplatz war, sondern offenbar auch im Vorstandsbüro. Kahn und Dreesen sollen sich nicht gut verstanden haben, wie die Münchner Zeitungen schreiben. Auf diesen Punkt ging Dreesen in der Pressekonferenz nicht ein. Lieber betonte er, was er anders machen will und wie wichtig ihm Kommunikation im Verein sei: „Und ich möchte wieder mehr zu einem Füreinander kommen.“ Das fange ganz oben an, also im Vorstand und im Aufsichtsrat.
Erfahrungen im Spitzenmanagement hat Dreesen seit langem. Nach einer Banklehre und einem BWL-Studium ging es mit seiner Karriere steil bergauf: Schon mit 38 Jahren berief ihn die HypoVereinsbank zum Vorstand fürs Privatkundengeschäft. Nach der Station als Deutschland-Chef der UBS wechselte er 2009 zur Bayerischen Landesbank. Den Posten des Finanzvorstands des FC Bayern übernahm er im Februar 2013.
„Kurzlebiges Geschäft“
Als Vorstandschef bekommt Dreesen einen Zweijahresvertrag. Das wäre in seinem Alter in einer Bank oder einem Unternehmen eine recht kurze Dauer. Doch Dreesen gibt sich gelassen: Fußball sei ein kurzlebiges Geschäft, zudem sei ihm die Laufzeit seines Vertrags „nicht wirklich wichtig“. Obwohl er den Verein von oben bis unten kennt, will er sich vor ersten Entscheidungen in der neuen Position „die Dinge vernünftig anschauen“. Dann aber „nach vorne weiter angreifen“.
Das klingt auch nach dem elften deutschen Meistertitel in Folge wie eine Kampfansage an die Konkurrenz. Dabei hatte Dreesen im CFO-Interview vor acht Jahren angesichts der Dominanz des FC Bayern etwas genervt auf die Frage nach der drohenden Langeweile in der Bundesliga reagiert: „Ach, immer diese Frage. Darüber müssen wir uns wirklich erst unterhalten, wenn wir fünf- oder sechsmal hintereinander Deutscher Meister geworden sein sollten.“