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Der rabiate Retter der "High Street" ist unerwünscht

Von Benjamin Triebe, London Börsen-Zeitung, 11.4.2019 Von britischer Zurückhaltung war bei Mike Ashley wieder einmal nichts zu spüren. Der 54-jährige Milliardär und Besitzer eines Einzelhandelsimperiums musste in dieser Woche eine empfindliche...

Der rabiate Retter der "High Street" ist unerwünscht

Von Benjamin Triebe, LondonVon britischer Zurückhaltung war bei Mike Ashley wieder einmal nichts zu spüren. Der 54-jährige Milliardär und Besitzer eines Einzelhandelsimperiums musste in dieser Woche eine empfindliche Niederlage einstecken: Debenhams, Großbritanniens größte traditionelle Warenhauskette, entglitt seinen Fingern. Prompt sprach Ashley, der für sein wenig zimperliches Auftreten berüchtigt ist, von einem “nationalen Skandal”, beschuldigte seine Opponenten des Diebstahls, wünschte deren Berater “ins Gefängnis für ihre Betrügerei” und warf der Politik und den Aufsichtsbehörden vor, sie hätten sich als so wirkungsvoll erwiesen wie eine “Teetasse aus Schokolade”.Ziel der Schmähungen sind Management und Kreditgeber von Debenhams. Ashley wollte seit Monaten die Kontrolle über die Warenhäuser übernehmen und sich als Chef installieren lassen, ähnlich wie es ihm in den vergangenen Jahren bei vielen bekannten Vertretern des britischen Einzelhandels gelang. Doch das von existenzbedrohenden Finanzproblemen gebeutelte Unternehmen wählte am Dienstag nicht nur den Gang in die Insolvenz, statt sich auszuliefern, sondern dies geschah auch auf eine für den Tycoon schmerzhafte Weise: Die Gläubiger, hauptsächlich Banken und Hedgefonds, wurden zu neuen Eigentümern und die Anteile der Altaktionäre liquidiert. Ashley, der für rund 150 Mill. Pfund (174 Mill. Euro) ein Paket von 29 % an Debenhams aufgebaut hatte, verlor seinen Einsatz. Mehrere RückschlägeEs ist nicht der erste Rückschlag für Ashley in diesem Jahr, aber der größte. Im Februar verlor er den Bieterwettstreit um die Musikhandelskette HMV und zog seine Offerte für die Konditoreien Patisserie Valerie zurück. Doch bis dahin lief es recht gut: Ashley hatte 1982 die Sportwarengeschäfte Sports Direct gegründet und errichtete bis heute rund 500 Filialen allein in Großbritannien – die größte Sportkette im Land. Einer seiner Kniffe war es, bekannte, aber strauchelnde Marken wie Dunlop (Tennisausrüstung) zu kaufen und über Sports Direct zu vertreiben.Seit 2017 akquirierte Ashley auch immer öfter querbeet. Er erwarb Anteile am Modelabel French Connection und an der Computerspielekette Game Digital sowie die Kontrolle über den Dessousanbieter Agent Provocateur und den Fahrradhändler Evans Cycles. Sein größter Erfolg war die Komplettübernahme der Warenhauskette House of Fraser durch Sports Direct im August 2018. Ähnlich wie Debenhams stand auch Fraser vor dem Kollaps. Ashley erwarb die Firma aus dem Konkursverfahren heraus für 90 Mill. Pfund.Analysten fragten sich, welchen übergeordneten Geschäftsplan der Self-Made-Milliardär aus Mittelengland, der 2007 auch den Fußballklub Newcastle United erwarb, mit seinem Kaufrausch eigentlich verfolgt. Im Streit mit Debenhams bot der Geschäftsmann zweimal eine Finanzspritze von zuletzt 200 Mill. Pfund an – aber stets unter der Bedingung, zum Firmenchef gemacht zu werden. Kritiker beklagen, es gehe dem Tycoon immer zuerst um Kontrolle und Einfluss. Unterstützer wenden ein, dass seine Interventionen mehr Gesichter der “High Street”, der typisch britischen Einkaufsstraße im Stadtzentrum, gerettet haben, als ohne ihn überlebt hätten.Eine Krise der High Street wird in Großbritannien seit über einem Jahr diagnostiziert. Debenhams, die in 166 Filialen rund 25 000 Menschen beschäftigt, litt unter schlechten Entscheidungen des Managements, ausbleibender Laufkundschaft, teuren Immobilienverträgen, hohen laufenden Kosten und einem schwachen Online-Geschäft. Die Kette schrieb 2018 einen Vorsteuerverlust von 492 Mill. Pfund und saß auf 622 Mill. Pfund Schulden. Vielleicht gelingt Ashley sogar doch noch der Coup: Debenhams` Gläubiger, die neuen Eigentümer, werden die Warenhäuser nicht behalten wollen. Sollten die Firma oder Teile zum Verkauf gestellt werden, könnte der umtriebige Milliardär wieder seinen Hut in den Ring werfen.