Der Toyota-Chef hat eine Mission
Von Martin Fritz, TokioEigentlich könnte sich Akio Toyoda nach zehn Jahren an der Spitze – wie einst sein Vater Shoichiro und sein entfernter Verwandter Eiji – bald in den Verwaltungsrat zurückziehen. Doch der 63-jährige CEO will über sein Amtsjubiläum am Sonntag hinaus noch “einige Zeit” am Steuer bleiben, um Toyota einen – wie er sich in der Sprache der Automanager ausdrückt – “Modellwechsel” zu verpassen. “Meine wahre Mission besteht darin, Toyota als Mobilitätsanbieter vollständig neu zu konstruieren”, betont Toyoda seit anderthalb Jahren immer wieder und begründet dies mit der Gefahr, dass das Vordringen von vernetzten, autonomen, gemeinschaftlich genutzten und elektrischen Fahrzeugen das konventionelle Geschäftsmodell seiner Branche zerstören könnte.Die Warnung ist typisch für seinen Führungsstil. Egal wie gut die Geschäftszahlen ausfallen, immer wieder rüttelt Toyoda die erfolgsverwöhnte Belegschaft des Konzerns wach. Die Mitarbeiter sollen nicht selbstgefällig werden und stets im Krisenmodus bleiben. Das ist die wichtigste Lehre, die der CEO aus seinen schwierigen ersten Amtsjahren von 2009 bis 2012 gezogen hat. Nach dem größten Jahresverlust der Firmengeschichte kämpfte er mit Massenrückrufen in den Vereinigten Staaten, dann legte ein Tsunami monatelang die Produktion lahm. Schnelles Wachstum verursache Unannehmlichkeiten für alle Beteiligten, wenn darauf eine rasante Talfahrt folge, lautete seine Schlussfolgerung daraus.Daher verordnete der CEO seinem Unternehmen von 2012 bis 2015 eine “absichtliche Pause”. Während dieses Luftholens besann sich der Konzern auf das Toyota-Produktionssystem (TPS), im Westen “Lean Production” genannt, als seine größte Stärke. Toyota sollte so wettbewerbsfähig sein, dass es nie wieder rote Zahlen schreibt. Dafür wurden flexible “Sparfabriken” entwickelt, eine Plattform-Architektur für alle Fahrzeuge eingeführt und die Entscheidungsgewalt in die Weltregionen dezentralisiert. Parallel setzt der “Master Driver” Toyoda mit jedem neuen Modell seine Maxime um, ein Auto müsse Spaß machen. Seitdem sehen Toyota-Modelle auffälliger aus und fahren sich sportlicher.Erst seit 2015 stellt sich der Gründerenkel auf den “größten Mobilitätswandel seit 100 Jahren” (Toyoda) ein. Dafür erweiterte er die TPS-Strategie von der Produktion auf Entwicklung und Verwaltung und verschlankte viele Strukturen. Das beschleunigt Entscheidungen und spart Kosten. Das Einstiegstempo in das neue Autozeitalter macht Toyoda davon abhängig, dass die Fahrzeuge eine “breite Akzeptanz finden”. Daher setzt er bei der Brennstoffzelle vorerst auf Busse und Lastwagen und verkauft Batterie-Elektroautos erst, wenn sie bequem und praktisch genug für private Nutzer sind. Die Akkuzellen entwickelt und baut Toyota teils selbst, teils kauft man sie ein.Sein Fahrplan in die Zukunft liegt auf dem Tisch: Erstens treibt man die künstliche Intelligenz für autonome Fahrzeuge und Roboter in zwei Forschungszentren in Kalifornien und Tokio voran. Zweitens entstehen Kommunikationsplattformen für vernetzte Autos. Für Dienstleistungen rings um die Mobilität sucht sich Toyota vielfältige Partner, darunter die Fahrdienstanbieter Uber und Grab. Drittens schmiedet Toyoda unter dem Motto “Home and Away” neue interne Sparten etwa für Software (TRI-AD) und Vernetzung (Toyota Connected) und verbündet sich beim Elektroantrieb mit Subaru, Mazda und Suzuki. Persönliches SprachrohrFür die Neugestaltung des Unternehmens setzt der CEO auch die Autorität seines Familiennamens ein: Im Januar legte er sich mit der Webseite “Toyotimes” ein persönliches Sprachrohr im Internet zu. “Die Mitarbeiter, Händler und Zulieferer müssen zeitnah verstehen, was das Management denkt”, erläutert Chefredakteur Hideki Fujii die Idee seines Chefs. Dessen Vision reicht weit in die Zukunft: “Ich könnte mir vorstellen, Toyota Motor in Toyota Mobility umzubenennen”, sagte er jüngst. Allerdings werde dies wohl erst unter seinem Nachfolger geschehen.