Josep Borrell wird 75

Die richtigen Russland-Warnungen des EU-Außen­beauftragten

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der am Sonntag 75 Jahre alt wird, agierte in seiner bisherigen Amtszeit immer eher unglücklich. Mit seinen Russland-Prognosen lag er allerdings tragischerweise mehr als richtig.

Die richtigen Russland-Warnungen des EU-Außen­beauftragten

ahe

Dass sich die europäischen Staats- und Regierungschefs im Sommer 2019 darauf verständigt haben, den damals amtierenden spanischen Außenminister Josep Borrell zum neuen Chefdiplomaten der Europäischen Union (EU) zu ernennen, war nicht überall in der Union auf Begeisterung gestoßen. Zwar hatte der Sozialdemokrat bereits eine 40-jährige politische Karriere vorzuweisen mit Berufungen auf verschiedene Ministerposten und sogar einer Wahl zum Präsidenten des EU-Parlaments (2004 bis 2007), doch es gab in den Anhörungen des damaligen Europaparlaments auch einige Kritik. Denn Borrell hatte Ende 2012 nicht ganz freiwillig sein Amt als Präsident des Europäischen Hochschulinstituts (EUI) in Florenz wieder aufgeben müssen, weil er Aufsichtsratsvergütungen über 300 000 Euro pro Jahr nicht offengelegt hatte.

2018 wurde der Spanier zudem von der Wertpapieraufsichtsbehörde (CNMV) seines Landes wegen Insiderhandels zu einem Bußgeld in Höhe von 30 000 Euro verdonnert, das er auch akzeptiert hatte. Dennoch wurde Josep Borrell i Fontelles am 1. Dezember 2019 neuer Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und zugleich Vizepräsident der EU-Kommission. Er folgte als Quasi-Außenminister der EU damit auf die Italienerin Federica Mogherini.

Von der von Ursula von der Leyen zu Beginn ihrer Amtzeit groß angekündigten „geopolitischen Kommission“ war allerdings in der ersten Hälfte von Borrells Mandat wenig zu sehen – auch wenn sich dieses Bild seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine ein wenig verändert. In Brüssel wurde das Wirken von Josep Borrell in den vergangenen gut zwei Jahren auf jeden Fall als eher unglücklich wahrgenommen. Und dies war nicht nur auf die schwierigen Umstände seines Jobs zurückzuführen, der in der EU-Außenpolitik ja immer die Einstimmigkeit der 27 Mitgliedsländer verlangt. Mit besonderer Durchsetzungsfähigkeit ist Borrell als Außenbeauftragter bislang zumindest nicht aufgefallen.

Russland spielt schon seit seinem Amtsantritt eine besondere Rolle: Josep Borrell versprach bereits 2019, ein besonderes Augenmerk seiner Arbeit auf die Unterstützung der Demokratie und der Integrität der Ukraine zu legen. Und im Juni 2021 legte Borrell dann einen Bericht über die künftigen strategischen Optionen der Russland-Politik der EU vor, der damals vielleicht nicht genug Aufmerksamkeit in Europa fand: Denn schon im zurückliegenden Sommer sah Borrell wenig Chancen dafür, dass die Europäische Union und Russland ihre Partnerschaft erneuern und eine wieder engere Zusammenarbeit vereinbaren könnten.

Ein weiterer Abwärtstrend in den gegenseitigen Beziehungen sei derzeit das wahrscheinlichste Szenario, auf das man sich vorbereiten müsse, hatte Borrells Warnung gelautet, die sich inzwischen auf tragische Weise mehr als bestätigt hat. Russland und die Ukraine werden auch die weitere Amtszeit des EU-Außenbeauftragten prägen, die wahrscheinlich den Abschluss einer langen politischen Karriere bedeutet. Denn Borrell feiert am kommenden Sonntag seinen 75. Geburtstag.