Die Väter des Healthineers-Erfolgs
Von Michael Flämig, MünchenBernd Montag und Jochen Schmitz: Das sind die Männer, die so viel Geld für Siemens ausgeben dürfen wie noch niemals zuvor ein Vorstandsvorsitzender und sein Finanzvorstand in der Konzerngeschichte. 16,4 Mrd. Dollar sind mehr als das Doppelte des bisherigen Rekordwertes, gezahlt vor gut fünf Jahren für die Ölfirma Dresser-Rand. Mehr noch: Das Duo repräsentiert nicht das Dax-Mitglied Siemens AG, sondern führt “nur” den MDax-Wert Siemens Healthineers. Das Unternehmen will das Geld für den US-Krebstherapiespezialisten Varian auf den Tisch legen. Der Nutzen von SchlafentzugNun hat ein Erfolg viele Väter, und dies gilt auch für die Vollendung dieser Transaktion. Im Hause Siemens wird aus berufenem Munde vor allem Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas gelobt, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens Healthineers AG ist – schließlich hält der Konzern 85 % an dem Medizintechnikunternehmen und will diesen Anteil nun auf etwa 72 % abschmelzen. Er habe das Siemens-Ökosystem in einzigartiger Weise zusammengehalten, heißt es. Thomas selbst vertritt immer die Auffassung, seine Healthineers-Funktion mit “Aufsicht” und “Rat” zu definieren – genau in dieser Reihenfolge.In den Pressemitteilungen wird aber auch Siemens-Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser zitiert. Er freut sich darüber, dass die Transaktion eine Folge seiner Strategie Vision 2020+ ist – die in der früheren Konglomeratsstruktur nicht möglich gewesen wäre. Für ihn kommt der Deal genau zum richtigen Zeitpunkt, denn Anfang Oktober übergibt er seinen Posten operativ und Anfang 2021 auch formal an seinen Nachfolger Roland Busch (dessen Statement: “Von der Übernahme profitieren alle”). Druck bezüglich des Kaufobjekts und des Timings habe es aber nicht gegeben, wird allerorten übereinstimmend versichert.Die Hauptlast allerdings haben Montag und Schmitz getragen – vor allem werden sie auch die Kärrnerarbeit der Integration zu leisten haben. Einen “Top-Job” bescheinigt ihnen bezüglich des Deals die Mutter Siemens AG. Sie hätten die Transaktion profund vorbereitet und dann auch durchverhandelt. Das Bonmot macht die Runde, dass der frühere Medizintechnik-Chef Hermann Requardt gesagt habe: “Schlafentzug ist ein Antidepressivum.” Daher müsse wohl in Siemens-Sitzungen nach diesen Wochen eine gute Stimmung herrschen.Tatsächlich drohte es am Ende noch einmal knapp zu werden. Denn es sickerte eine Information über die Transaktion durch, die Verkündung des Kaufs musste außerplanmäßig um einen Tag vorgezogen werden. Auch die Sitzung des Varian-Boards, der das Projekt einstimmig absegnete, wurde früher abgehalten. Statt die Übernahme samt den Quartalszahlen am Montag dem Kapitalmarkt zu erläutern, reihten sich die Konferenzen für Journalisten und Analysten am Sonntag aneinander.So wirkt Siemens-Healthineers-Finanzvorstand Jochen Schmitz am Tag nach der Bekanntgabe auch gelöst – und zieht eine positive Bilanz. Die Zusammenarbeit sei hervorragend, der Vorstandsvorsitzende und er verstünden sich als Teamspieler: “In der Ausrichtung der Verhandlung passte kein Blatt zwischen Herrn Montag und mich.”Schmitz und Montag arbeiten zusammen, seitdem der promovierte Wirtschaftswissenschaftler im Dezember 2017 als Finanzvorstand zu Siemens Healthineers stieß. Der promovierte Physiker Montag leitete zu diesem Zeitpunkt das Unternehmen schon fast drei Jahre lang. Gemeinsam haben sie den Börsengang gestemmt, der Aktienkurs hat sich seit der Erstnotierung im März 2018 hervorragend entwickelt. Sie mussten allerdings auch zusammen durch die Tiefen der Neuausrichtung der Labordiagnostiksparte gehen. Der Verkauf der neuen Plattform Atellica verlief schleppend, Montag machte die Angelegenheit letztlich zur Chefsache – ob erfolgreich, lässt sich noch nicht abschätzen. Verträge verlängertMontag brachte in die Vorstandsposition tiefe Kenntnisse über die Medizintechnik-Hauptsparte bildgebende Systeme mit, für die er schon seit dem Jahr 1999 arbeitete. Schmitz, der sieben Jahre ebenfalls für Siemens Healthcare aktiv gewesen war, konnte die Expertise über die Corporate-Finance-Welt auch der Mutter einbringen. Schließlich zog er vor seinem Wechsel auf den Posten des Finanzvorstands sieben Jahre lang als Corporate Vice President Controller die Fäden in der Siemens-Konzernzentrale.Im Mai hatte der Healthineers-Aufsichtsrat die Verträge von Montag und Schmitz um ein halbes Jahrzehnt verlängert. In den kommenden Jahren werde es darum gehen, die nächste Stufe des profitablen Wachstums zu erreichen, gab Thomas seinen Managern mit auf den Weg. Diese Aufgabe liegt nun vor dem Duo.