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Drängler unter Druck

Von Carsten Steevens, Hamburg Börsen-Zeitung, 12.4.2019 Heute vor einem Jahr berief der Aufsichtsrat von Volkswagen Herbert Diess zum Vorstandsvorsitzenden des weltgrößten Autobauers. Zweieinhalb Jahre nach Bekanntwerden des Dieselabgasskandals...

Drängler unter Druck

Von Carsten Steevens, HamburgHeute vor einem Jahr berief der Aufsichtsrat von Volkswagen Herbert Diess zum Vorstandsvorsitzenden des weltgrößten Autobauers. Zweieinhalb Jahre nach Bekanntwerden des Dieselabgasskandals sollte der ehemalige BMW-Einkaufs- und Entwicklungsvorstand, der Mitte 2015 nach Wolfsburg kam, um die notorisch lahmende Kernmarke Volkswagen Pkw auf Rendite zu trimmen, den Wandel des Zwölfmarkenkonzerns in Richtung Elektromobilität und autonomes Fahren, digitale Vernetzung und neue Mobilitätsdienste beschleunigen. In einer Phase fundamentaler Umbrüche komme es darauf an, dass Volkswagen Tempo aufnehme, sagte der Österreicher damals. Anstrengungen forciertDiesen Auftrag verfolgt der 60-Jährige seitdem konsequent. Die Politik ruft er zu schnelleren Schritten bei der Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen auf. Die Chancen, dass die deutsche Autoindustrie auch in zehn Jahren noch zur Weltspitze gehöre, stünden 50 zu 50: Mit plakativen Aussagen weiß Diess sich in Szene zu setzen. Er nutzt Talkshows für seine Botschaften, konfliktscheu agiert der promovierte Fahrzeugtechniker nicht. Er habe schnell die richtigen Dinge umgesetzt, urteilt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen, mit Blick auf die forcierten strategischen Anstrengungen in den vergangenen zwölf Monaten. Unmut erzeugtAuch das eigene Unternehmen – einen Konzerngiganten mit 650 000 Beschäftigten und einer machtbewussten Arbeitnehmervertretung – versucht der VW-Chef mit Klartextreden aufzurütteln. Man sei in der glücklichen Lage, Veränderungen aus eigener Kraft finanzieren und gestalten zu können, sagte er vergangenen Monat in einer Betriebsversammlung. “Nur: Wir müssen das auch wollen.” Diess, der sich selbst nicht schont, wie aus seiner Umgebung verlautet, bewegt sich mit seiner Ungeduld auf schmalem Grat. Mit Forderungen etwa nach schnelleren Kostensenkungen und unverblümten Ansagen an das Management sorgt er intern für Unmut und löst Widerstände aus. Erst einmal müsse der Vorstand seine eigenen Hausaufgaben erledigen, ehe über Maßnahmen für weitere Effizienzsteigerungen verhandelt werden könne, hielt Betriebsratschef Bernd Osterloh etwa im März der Ankündigung von Vorstandsplänen für einen weiteren Abbau von bis zu 7 000 Stellen bei der Marke Volkswagen bis 2023 entgegen.Der wieder stärker hochkochende Streit über den Sparkurs bei der Kernmarke, die mit ihrer rückläufigen operativen Rendite im vergangenen Jahr enttäuschte, entzündet sich an hausgemachten Problemen wie der missratenen Umstellung auf das seit September vergangenen Jahres geltende Abgas- und Verbrauchstestverfahren WLTP, das realistischere Werte erzeugen soll. Weil Motoren nicht rechtzeitig genehmigungsfähig waren, schwächte sich der Autoabsatz im zweiten Halbjahr 2018 deutlich ab, Lagerbestände mussten aufgebaut werden. Es fielen Belastungen an, die der Konzernvorstand mit mehr als 1 Mrd. Euro bezifferte, die aber nach kolportierten Berechnungen der Arbeitnehmerseite deutlich höher liegen. Nimbus lädiertDie Versäumnisse, die zum “WLTP-Desaster” (Osterloh) führten, schaden dem Nimbus des Renditetreibers Diess. Der Drängler, der ein höheres Tempo im Konzern anmahnt, weil es aus seiner Sicht “überlebenswichtig für Volkswagen” sei, bekommt Druck. In diesem Jahr stehen die Einführung der achten Generation des langjährigen Brot-und-Butter-Modells Golf sowie der Produktionsstart der ersten Elektrofahrzeuge der neuen ID-Familie an. Auch Verzögerungen, wie sie aufgrund von Entwicklungsproblemen in Wolfsburg hinter vorgehaltener Hand befürchtet werden, könnten vor dem Hintergrund forcierter Sparanstrengungen Diess` Bilanz belasten.