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"Draufgänger" Näder öffnet Ottobock

Von Carsten Steevens, Hamburg Börsen-Zeitung, 27.6.2017 Hans Georg Näder hat den vor knapp 100 Jahren gegründeten Orthopädietechnikspezialisten Ottobock für den ersten familienfremden Gesellschafter geöffnet. Wie am Wochenende bekannt wurde,...

"Draufgänger" Näder öffnet Ottobock

Von Carsten Steevens, HamburgHans Georg Näder hat den vor knapp 100 Jahren gegründeten Orthopädietechnikspezialisten Ottobock für den ersten familienfremden Gesellschafter geöffnet. Wie am Wochenende bekannt wurde, beteiligt sich die Private-Equity-Firma EQT mit einem Anteil von 20 % an dem Weltmarktführer für Bein- und Armprothesen aus dem niedersächsischen Duderstadt. Der 55 Jahre alte Firmenchef, unter dessen Regie sich der Unternehmensumsatz seit 1990 auf 885 Mill. Euro verzehnfacht hat, verknüpft die weiteren Wachstumsambitionen nun auch mit externem Kapital. Börsengang “eher später””Ich freue mich sehr darüber, mit EQT einen Partner an Bord zu haben, der durch seinen Ursprung mit der schwedischen Unternehmerfamilie Wallenberg mit uns die Werte eines Familienunternehmens teilt”, lässt sich Näder von dem Finanzinvestor zitieren, der im Healthcare-Segment unter anderem bei dem Hörgerätespezialisten Sivantos (ehemals Siemens Audiology Solutions) und dem italienischen Endoprothesenhersteller Lima beteiligt ist. Die Börsenpläne für Ottobock, die seit Monaten ventiliert wurden, hat der in Medien mal als “Paradiesvogel”, mal als “Draufgänger” titulierte Milliardär mit Vorlieben für teure Yachten, moderne Kunst und gutes Essen nicht ad acta gelegt. “An einem möglichen Börsengang halten wir weiter fest”, sagt er in einer von Ottobock verbreiteten Mitteilung. Allerdings werde ein solcher Schritt durch den Einstieg von EQT “eher später als früher erfolgen”.Was das nach dem von J.P. Morgan orchestrierten Bieterverfahren, in dem sich EQT “überzeugend gegen eine Reihe anderer internationaler Topinvestoren durchgesetzt” habe, genau heißt, bleibt offen. Zunächst soll Ottobock “in jeder Hinsicht börsenreif” werden. Das bedeutet unter anderem, die Bilanzierung des weltweit in mehr als 50 Ländern tätigen Unternehmens mit seinen rund 7 000 Beschäftigten auf internationale IFRS-Rechnungslegung umzustellen und einen (zehnköpfigen) Aufsichtsrat zu bilden.Auch ist ein Rechtsformwechsel vorgesehen, der der Gesellschaft weiteren Zufluss von externem Kapital ermöglicht, aber Näders Inhaberfamilie den beherrschenden Einfluss auch dann noch sichert, sollten die Anteile ihrer Otto Bock Holding an Ottobock Healthcare unter 50 % sinken. Im Gespräch ist eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), deren Komplementär eine Europäische Gesellschaft (SE) ist. Unternehmen mit dieser Rechtsform sind unter anderem Fresenius und Bertelsmann.Früheren Aussagen zufolge soll die Börsenreife 2019 erreicht sein. Dass dann unmittelbar der Gang aufs Parkett folgt, wird im Umfeld des Unternehmens bezweifelt. Die von Finanzinvestoren bei Beteiligungen nicht selten bevorzugte Haltedauer von drei bis fünf Jahren berücksichtigt, könnte Näder bei passendem Umfeld einen Börsengang von Ottobock in den Jahren 2020 oder 2021 ins Auge fassen, heißt es. Was dabei helfen könnte: Mit EQT verfügt der Prothesenhersteller, der sich laut seiner Strategie “Roadmap 22” ehrgeizige Wachstumsziele in den Bereichen Prothetik, Orthetik, Human Mobility und Medical Care vorgenommen hat und dafür als “Konsolidierer” in der Branche auch weitere Akquisitionen ins Auge fasst, künftig über einen Gesellschafter mit Erfahrung bei IPOs in Deutschland. Beispiele aus der Vergangenheit sind die aktuellen und ehemaligen MDax-Konzerne Symrise (2006) und Tognum (2007, heute Rolls-Royce Power Systems). Geld für weiteres WachstumGroßen Druck, sich für das weitere Wachstum zusätzliches Kapital zu besorgen, hat Näder, der das Unternehmen in dritter Generation führt, nach dem EQT-Einstieg erst einmal nicht. Der 1994 gegründete Investor, der heute in 24 Fonds Kapital von rund 37 Mrd. Euro verwaltet, bewertet Ottobock nach eigenen Angaben mit 3,15 Mrd. Euro. Das 20-%-Investment dürfte sich EQT somit rund 630 Mill. Euro kosten lassen. Zudem winken dem Mittelständler aus dem Harz Erlöse im möglicherweise hohen zweistelligen Mill.-Euro-Bereich durch den geplanten Verkauf der 1998 gegründeten IT-Firma Sycor und von Otto Bock Kunststoff. Von beiden will sich Näder als Vorsitzender der Geschäftsführung der Otto Bock Holding bis Jahresende trennen. Die Verfahren hierzu liefen auf Hochtouren, es gebe großes Interesse, heißt es.Näder, der sich nach zwei gescheiterten Ehen einem ebenfalls am Wochenende erschienenen Bericht der “Bild”-Zeitung zufolge soeben mit dem 30 Jahre jüngeren Model Nathalie Scheil verlobt hat, will seine Gruppe auf das Healthcare-Geschäft konzentrieren. Keine Verkaufsabsichten hegt der Vater zweier erwachsener Töchter dem Vernehmen nach für die 2013 aus persönlicher Leidenschaft erworbene Mehrheitsbeteiligung an der finnischen Großyachtenwerft Baltic Yachts – einem Unternehmen mit Know-how im Umgang mit Kohlefasern.An der EQT-Transaktion, die noch von den Wettbewerbsbehörden genehmigt werden muss, wirkten nach Angaben von Ottobock neben Beratern von J.P. Morgan unter Federführung von Dorothee Blessing Anwälte von Freshfields Bruckhaus Deringer unter Leitung von Christoph Seibt und Nils Koffka sowie von Hengeler Mueller unter Führung von Hans-Jörg Ziegenhain und Steffen Oppenländer mit. Die Vereinbarung mit Näder, der in der Vergangenheit Ehrungen für sein Engagement für den medizinischen Fortschritt und Lehraufträge als Honorarprofessor in Göttingen und als Gastprofessor in Peking erhielt, sieht vor, dass der Einstieg des schwedischen Finanzinvestors im Verlauf der zweiten Jahreshälfte abgeschlossen sein soll.