PERSONEN

Ein echter Wiener geht nicht unter

Von Stefan Paravicini, Frankfurt Börsen-Zeitung, 24.4.2014 Die Chancen stehen gut, dass sich der mexikanische Telekom-Tycoon Carlos Slim (74), der von Forbes aktuell als zweitreichster Mann hinter Bill Gates geführt wird, in den nächsten Monaten...

Ein echter Wiener geht nicht unter

Von Stefan Paravicini, FrankfurtDie Chancen stehen gut, dass sich der mexikanische Telekom-Tycoon Carlos Slim (74), der von Forbes aktuell als zweitreichster Mann hinter Bill Gates geführt wird, in den nächsten Monaten eine Folge der legendären Fernsehserie “Ein echter Wiener geht nicht unter” anschauen wird. In 24 Folgen poltert sich Karl Merkatz als Edmund “Mundl” Sackbauer in der Kultsendung des österreichischen Fernsehens durch den Alltag einer Arbeiterfamilie im zehnten Wiener Gemeindebezirk (Favoriten) Ende der siebziger Jahre. Als angestellter Elektriker und Familienvater hat er dabei allerhand Herausforderungen zu meistern. In Folge 18 (“Veränderungen”) ist Mundl auch als Betriebsrat gefordert, weil seine Arbeitsstätte verkauft werden soll. Betriebsrat aus FavoritenAus welchem Holz ein echter Wiener Betriebsrat geschnitzt ist, wird Slim ganz besonders interessieren. Denn die von ihm kontrollierte América Móvil, die an der österreichischen Telekom Austria seit 2012 beteiligt ist, hat sich in einem ersten Versuch, ihren Einfluss bei dem ehemaligen Staatskonzern auszuweiten, bei den Arbeitnehmervertretern des Hauptaktionärs ÖIAG blaue Flecken geholt. Die staatliche Industrieholding, die unter anderem auch an der österreichischen Post (52,9 %) und bei OMV (31,5 %) beteiligt ist, hält 28,4 % an Telekom Austria und ist damit größter Aktionär vor América Móvil mit zuletzt 26,8 %. Ihr hatte Slim zuletzt einen weitreichenden Pakt vorgeschlagen, der den beiden Großaktionären die gemeinsame Kontrolle über einen Mehrheitsanteil gesichert und den Einfluss Slims bei dem österreichischen Konzern damit erheblich vergrößert hätte.Am Mittwoch sollte der Aufsichtsrat der ÖIAG grünes Licht für die Vereinbarung mit América Móvil geben. Doch die fünf Vertreter der Arbeitnehmer in dem 14-köpfigen Gremium blieben der Sitzung ebenso fern wie einige Vertreter der Kapitalseite. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg blieben insgesamt acht Sitze leer, laut Reuters fehlten mindestens sieben Funktionsträger in der entscheidenden Sitzung. Ein Sprecher der ÖIAG war für die Börsen-Zeitung nicht zu erreichen und es blieb bis zum Redaktionsschluss offen, ob der bis in die Abendstunden tagende Aufsichtsrat überhaupt beschlussfähig ist.Der Pakt mit dem größten Telekomkonzern Lateinamerikas stößt vor allem deshalb auf den Widerstand der Arbeitnehmer, weil sie mit dem schwindenden Einfluss der ÖIAG um ihre Arbeitsplätze fürchten. Die Aufsichtsratsmitglieder hätten zudem nur einen Tag Zeit gehabt, das über hundert Seiten umfassende Vertragswerk zu prüfen. Dieses sehe unter anderem eine Kapitalerhöhung über 1 Mrd. Euro bei der Telekom Austria vor, sagte ein Insider der Nachrichtenagentur Reuters.Im Zuge der Allianz wollten sich Slim und die ÖIAG bei wichtigen Entscheidungen in Zukunft abstimmen. Weil die beiden gemeinsam aber mehr als 30 % der Telekom-Aktien kontrollieren, müssten sie nach österreichischem Recht den übrigen Eigentümern ein Übernahmeangebot unterbreiten. Das Aufsichtsratstreffen stand auch deshalb im Fokus, weil am Mittwoch eine 40-tägige Frist endete, innerhalb der die ÖIAG und América Móvil ihren Vertrag unter Dach und Fach bringen wollten. Danach benötigen sie eine Genehmigung der österreichischen Übernahmekommission, wenn sie innerhalb eines Jahres ein Übernahmeangebot an die übrigen Telekom-Aktionäre unterbreiten wollen. Die Übernahmekommission kann diese Sperrfrist verkürzen oder aufheben.Ein echter Mexikaner gibt freilich auch nicht ohne Weiteres klein bei. Das weiß man in Österreich, wo man sich dieser Tage an den unglücklichen Habsburger-Spross Maximilian I. erinnert, der dem mittelamerikanischen Land vor 150 Jahren als Kaiser vor die Nase gesetzt wurde und dessen sich die mexikanische Bevölkerung innert drei Jahren ganz entledigte. Telekom-Kaiser aus MexikoDer Telekom-Kaiser Slim, der die Abhängigkeit seines Firmenimperiums vom südamerikanischen Markt schon seit längerem mit Engagements in Europa zu reduzieren versucht, ist auf dem Alten Kontinent ebenfalls Kummer gewohnt. Bei dem Versuch einer Beteiligung an Telecom Italia zog er gegen den Erzrivalen Telefónica schon vor Jahren den Kürzeren. Als sich ihm vor einigen Monaten die Gelegenheit bot, es dem spanischen Rivalen heimzuzahlen und mit der Komplettübernahme der niederländischen KPN dem Verkauf ihrer Deutschlandtochter E-Plus an Telefónica Deutschland (O2) zuvorzukommen, durchkreuzte eine unternehmenseigene Stiftung von KPN seine Pläne.In Mexiko, wo América Móvil etwa vier Fünftel des Telekommunikationsmarkts dominiert, scheint Präsident Enrique Peña Nieto Bewegung in die monopolistischen Marktverhältnisse bringen zu wollen. Slim nutzt das bereits, um seinerseits in das bestehende Monopol von Kabelfernsehanbietern einzubrechen. Vielleicht nimmt er bald auch eine Serie aus Österreich ins Programm auf.