Otmar Issing

„Ein Vorbild für einen Zentralbanker“

Eigentlich hat Otmar Issing darum gebeten, dass bei dem Kolloquium zu Ehren seines 85. Geburtstags am Dienstagabend nicht seine Person, sondern das Thema – „Geld und Preise: Ein permanentes Puzzle“– im Mittelpunkt stehen sollte. Als aber Axel...

„Ein Vorbild für einen Zentralbanker“

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Eigentlich hat Otmar Issing darum gebeten, dass bei dem Kolloquium zu Ehren seines 85. Geburtstags am Dienstagabend nicht seine Person, sondern das Thema – „Geld und Preise: Ein permanentes Puzzle“– im Mittelpunkt stehen sollte. Als aber Axel Weber, Chairman der UBS und Ex-Präsident der Bundesbank, das Wort ergreift, macht er gleich schmunzelnd klar, dass er diese „Anweisung“ zumindest zum Teil „missachten“ werde. Issing sei ein „Vorbild für ei­nen modernen Zentralbanker“ gewesen, lobt Weber und kommt gleich zu sprechen auf die vielen Verdienste Issings – für die Bundesbank, für die Europäische Zentralbank (EZB) und für die Geldpolitik weltweit.

Bereits Ende März ist Issing 85 Jahre alt geworden, aber am Dienstag nun widmete ihm das Center for Financial Studies (CFS) zusammen mit dem Leibniz Institut SAFE, dem Institute for Monetary and Financial Stability (IMFS) und dem Institut für Bank- und Finanzgeschichte (IBF) ein eigenes Kolloquium. Wie wegen Corona immer noch üblich, findet das aber nicht in feierlichen Räumen mit Sekt und kleinen Happen statt, sondern virtuell, via Zoom. Dafür sind mehr als 200 Teilnehmer eingewählt – und das trotz des exakt zeitgleich stattfindenden EM-Spiels zwischen Deutschland und England, wie Ex-Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen bei der Begrüßung betont.

Issing selbst ist zugeschaltet aus dem heimischen Arbeitszimmer in Würzburg. Im feinen blauen Zwirn und mit Krawatte sitzt er vor seiner Bücherwand – und muss erleben, wie sich nicht nur Weber nicht an die Anweisung hält, sondern keiner derjenigen, die eine Laudatio halten oder mitdiskutieren. Mehr als zwei Stunden dreht sich fast alles um die beruflichen Stationen Issings – Wirtschaftsprofessor an der Universität Würzburg, Mitglied im Rat der „Wirtschaftsweisen“, Chefvolkswirt bei Bundesbank und EZB, jetzt CFS-Präsident –, um sein Wirken und seinen Einfluss als Ökonom und Zentralbanker, aber auch um den Menschen.

Da erzählt etwa die Vize-Präsidentin der Universität Würzburg, Doris Fischer, in einer eingespielten Videobotschaft nicht nur, wie sie schon als junge Studentin in Hamburg mit den Lehrbüchern Issings in Kontakt gekommen ist, sondern listet auch auf, wie sich Issing um die Universität und die Stadt verdient gemacht hat. Da lobt Bundesbankpräsident Jens Weidmann, ebenfalls per Videobotschaft, nicht nur Issings fortwährendes „Bekenntnis zu Geldwertstabilität und Zentralbankunabhängigkeit“, sondern berichtet auch von Telefonaten bis heute, bei denen sie sich über Geldpolitik austauschen. „Was den Austausch so wertvoll und spannend macht, ist dein scharfer Intellekt“, sagt Weidmann. Und da stellt der frühere EZB-Präsident Jean-Claude Trichet nicht nur heraus, wie sehr der Erfolg der EZB und des Euro auch ganz wesentlich auf Issings Schaffen zurückgeht, sondern verrät auch, dass die beiden viele Gespräche über Kultur geführt haben; etwa, als es um einen Besuch Trichets auf der Loreley ging – wobei er dann auch gleich auf Deutsch den Beginn von Heinrich Heines „Lied von der Loreley“ rezitiert: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin…“

Am Ende ist auch Issing berührt von so viel Anerkennung. „Ich werde nie unsere gemeinsame Zeit bei der EZB vergessen. Danke für die netten Worte, die tief in mein Herz gehen“, sagt er etwa in Richtung Trichets. Dann aber zeigt er schnell auch wieder, was ihn auszeichnet und warum er auch mit 85 Jahren noch immer ein gern gesehener und höchst respektierter Redner und Diskutant in Sachen Geldpolitik ist: Analytisch klar und sprachlich auf den Punkt kritisiert er da, dass Zentralbanken viel zu wenig auf Geldmenge achteten, warnt vor einem möglichen neuen Inflationsregime und attackiert die aktuelle Gelassenheit der Notenbanker ob der steigenden Inflation. Da ist Issing dann wieder ganz bei dem Thema, das ihn seit Jahrzehnten umtreibt – Geld und Preise.