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Ende einer Ära beim Werberiesen WPP

Von Benjamin Triebe, London Börsen-Zeitung, 17.4.2018 Am Ende ging es schnell. Nach 33 Jahren an der Spitze des weltgrößten Marketing- und Werbekonzerns WPP hat der 73-jährige Martin Sorrell am Wochenende seinen sofortigen Rücktritt als CEO...

Ende einer Ära beim Werberiesen WPP

Von Benjamin Triebe, LondonAm Ende ging es schnell. Nach 33 Jahren an der Spitze des weltgrößten Marketing- und Werbekonzerns WPP hat der 73-jährige Martin Sorrell am Wochenende seinen sofortigen Rücktritt als CEO eingereicht. Da waren nur elf Tage vergangen, seit WPP mitgeteilt hatte, gegen Sorrell werde eine interne Untersuchung wegen persönlichen Fehlverhaltens geführt. Worum es dabei ging, gelangte nicht an die Öffentlichkeit. Es soll sich um zweckentfremdete Gelder handeln, aber nicht um “wesentliche Beträge”, wie die Firma angab. Jetzt ist diese Untersuchung abgeschlossen, und Sorrell ließ wissen, sein Rücktritt sei im besten Interesse des Konzerns.WPP ist ein Riese, bei dem einige Kunden nicht wissen dürften, dass sie Kunden sind. Der Konzern vereint über 300 Firmen mit 134 000 Mitarbeitern in mehr als 3 000 Büros in 112 Ländern unter seinem Dach. Das Spektrum reicht von klassischen Werbeagenturen wie J. Walter Thompson über PR-Beratungen wie Burson-Marsteller bis zu Marktforschungsunternehmen. Zum Portfolio gehört auch die Scholz & Friends Group.Bis zur gegenwärtigen Größe war es ein langer Weg: Im Jahr 1985 kaufte der bereits 40-jährige Sorrell einen Anteil an einem kleinen Hersteller von Einkaufskörben namens Wire & Plastic Products in Kent. Mit Fusionen und Übernahmen baute er daraus über drei Jahrzehnte die weltgrößte, aber auch unübersichtlichste Werbeholding. Die Herstellung von Drahtgestellen als Ablagemöglichkeit in Küchen gehört heute noch zum Unternehmen.Die aggressive Kaufstrategie führte die Firma zwischenzeitig fast in den Bankrott, doch mittlerweile beträgt der Jahresumsatz 15,3 Mrd. Pfund (17,7 Mrd. Euro). Die Gruppe ist in Streubesitz; der Millionär Sorrell hält einen Aktienanteil von 1,4 %. Sein hohes Gehalt zog viel Kritik auf sich und sorgte auch im eigenen Aktionariat für Unfrieden. In den vergangenen fünf Jahren verdiente Sorrell laut Bloomberg rund 200 Mill. Pfund.Nach der Finanzkrise zählte WPP bei der Suche nach neuen Kunden noch zu den Gewinnern. Doch jüngst litt die Geschäftsentwicklung unter der Abwanderung von Werbung ins Internet, der Zurückhaltung großer Kunden wie Unilever und Procter & Gamble sowie dem Verlust einiger Werbeetats. Hinzu kommen die wachsende Konkurrenz durch Unternehmensberatungen und das Geschäftsmodell von Internetkonzernen wie Google und Facebook, bei denen Kunden keine zwischengeschaltete Agentur für einen Werbeauftritt benötigen.Die Geschäftszahlen für das vergangene Jahr verfehlten die Markterwartung, als der Betriebsgewinn (Ebit) um 10 % auf 1,9 Mrd. Pfund (2,2 Mrd. Euro) zurückging. Es war der schlechteste Zahlenkranz seit der Finanzkrise 2009. WPP senkte die langfristige Gewinnerwartung, und Investoren zeigten die kalte Schulter: Seit einem Rekordhoch im März 2017 hat der Aktienkurs 38 % verloren. Am Montag reagierte der Kurs mit einem Minus von 5 % auf die Rücktrittsnachricht.In einer Mail an die Mitarbeiter soll Sorrell geschrieben haben, WPP sei für ihn stets eine Sache “von mehr als Leben und Tod” gewesen. Die Vorwürfe der Untersuchung bestritt er. Doch war schon die Ermittlung allein – unabhängig vom nicht veröffentlichten Ergebnis – ein schwerer Schlag für das Vertrauensverhältnis zwischen Verwaltungsrat und CEO. Eine Rückkehr zum “business as usual” schien schwer vorstellbar. Interimistisch übernimmt Verwaltungsratspräsident Roberto Quarta die Geschäftsführung. Sorrell baute trotz seines hohen Alters nie einen Nachfolger auf, was ihm Investoren und Analysten zunehmend ankreideten. Manche Beobachter glauben, dass nur die Managementkünste des rastlosen und kämpferischen Patrons es ermöglichten, so viele Firmen so lange unter einem Dach zu halten. Das ließe nun den Verkauf von Unternehmensteilen erwarten. Spekuliert wird etwa über eine Abtrennung der Marktforschung. Umgekehrt muss das Management auch wachsam sein, dass sich manche Töchter nicht ungebeten verselbständigen, weil die einigende Hand fehlt.