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Ex-VW-Chef Winterkorn muss sich im Dieselskandal vor Gericht verantworten

ste - Der vor fünf Jahren kurz nach Bekanntwerden des Dieselabgasskandals zurückgetretene Volkswagen-Konzernchef Martin Winterkorn (73) muss sich vor einem Strafgericht verantworten. Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig ließ die...

Ex-VW-Chef Winterkorn muss sich im Dieselskandal vor Gericht verantworten

ste – Der vor fünf Jahren kurz nach Bekanntwerden des Dieselabgasskandals zurückgetretene Volkswagen-Konzernchef Martin Winterkorn (73) muss sich vor einem Strafgericht verantworten. Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig ließ die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 11. April 2019 (Az 6 KLs 23/19) mit Änderungen zur Hauptverhandlung zu, wie das Gericht bekannt gab.Die Anklage wegen des Vorwurfs des Betrugs und anderer Straftaten im sogenannten NoX-Verfahren richtet sich neben dem von Anfang 2007 bis zum 23. September 2015 amtierenden VW-Vorstandsvorsitzenden gegen vier weitere – teilweise ehemalige – Mitarbeiter des Konzerns. Wann der Prozess beginnen wird, steht noch nicht fest. Als erster großer Strafprozess im Dieselskandal in Deutschland beginnt Ende September in München das Gerichtsverfahren gegen den bis 2018 amtierenden Audi-Vorstandschef Rupert Stadler (vgl. BZ vom 9. Juni). Vorwürfe verschärft . . .In der Eröffnungsentscheidung über eine Anklage verschärfte die Strafkammer die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in Teilen. So sieht die Kammer anders als die Strafermittler, die gegenüber den Angeklagten lediglich den Vorwurf des Betrugs im besonders schweren Fall erhoben hätten, “mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine bandenmäßige Begehung der Tat durch die Angeklagten” und spricht von einem Verbrechen “des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs”. Käufer bestimmter Konzernfahrzeuge seien über deren Beschaffenheit, insbesondere die Verwendung einer sogenannten Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware, getäuscht worden, durch die eine Einhaltung der maßgeblichen Stickoxidemissionen lediglich auf dem Prüfstand gewährleistet gewesen sei. Hierdurch hätten Käufer jeweils einen Vermögensschaden erlitten.Der Vorwurf des Betrugs betrifft den Angaben zufolge etwa 9 Millionen Fahrzeuge, die in Europa und den USA verkauft worden sein sollen. Im Raum stehe ein Vermögensschaden der Käufer von mehreren Hundert Mill. Euro. Drei der Angeklagten wird eine Beteiligung an dem Betrug jedoch nicht für den gesamten mutmaßlichen Tatzeitraum von 2006 bis 2015 zur Last gelegt.Ebenfalls weiter gehend als die Staatsanwaltschaft sieht die Strafkammer den hinreichenden Verdacht eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung. Der Vorwurf betreffe etwa 6 800 Fahrzeuge, die wegen der unzutreffenden Annahme, dass sie die Schadstoffklasse “Euro 6” erfüllten, in Deutschland von 2011 bis 2013 zu Unrecht eine Kfz-Steuerbefreiung erhalten hätten. Im Raum stehe ein Steuerschaden von ca. 820 000 Euro.Anders als die Staatsanwaltschaft erkennt die Strafkammer hingegen keinen hinreichenden Tatverdacht, dass die Angeklagten sich der Untreue zum Nachteil des VW-Konzerns schuldig gemacht hätten. Auch für den Tatverdacht der mittelbaren Falschbeurkundung bestehe kein Anlass, weil die mögliche Manipulation der Kfz-Zulassungsbescheinigungen nicht von dem Gesetzesparagrafen erfasst sei. . . . und verschlanktDen Angeklagten drohen im äußersten Fall Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren. Winterkorns Verteidiger Felix Dörr erklärte, es handele sich um eine erwartbare Konsequenz der intensiven und lang dauernden Prüfung der Anklage. Er sprach von einer “Verschlankung der Vorwürfe” und wies die übrigen Anschuldigungen erneut zurück. Über Ablauf und Organisation der Verhandlung muss das Gericht noch mit den Verfahrensbeteiligten sprechen.