Eigentümerfamilie strebt zurück an die Bertelsmann-Spitze
Eigentümerfamilie strebt zurück an die Bertelsmann-Spitze
Familie strebt an die Spitze von Bertelsmann
Von Joachim Herr, München
Wenn sich der Aufsichtsrat von Bertelsmann in dieser Woche zu seiner Herbstsitzung trifft, fällt voraussichtlich die Entscheidung über die Nachfolge für den Vorstandsvorsitz. Beste Aussichten haben die Brüder Carsten und Thomas Coesfeld. Beide sind seit dem vergangenen Jahr im Vorstand. Und beide sind Enkel von Reinhard Mohn (1921-2009), der nach dem Zweiten Weltkrieg das traditionelle Verlagsgeschäft zu einem der größten Medienkonzerne der Welt ausgebaut hat – mit einem Jahresumsatz von zuletzt 19 Mrd. Euro. Die Coesfeld-Brüder gehören der siebten Generation der Eigentümerfamilie des Unternehmens an, das 1835 in Gütersloh als Buchverlag gegründet worden war.
Es wäre eine Rückkehr der Familie an die Konzernspitze nach fast 45 Jahren, als Reinhard Mohn in den Aufsichtsrat gewechselt war, und ein Generationswechsel. Carsten Coesfeld, der im Vorstand das Bildungsgeschäft und die Investmentsparte verantwortet, ist 38 Jahre alt; der 35-jährige Thomas ist für das Musikgeschäft BMG zuständig. Spätestens ihre Berufung in den Vorstand Anfang 2024 (Carsten) sowie zur Mitte des vergangenen Jahres (Thomas) brachte beide in den Kreis der Nachfolgekandidaten für Thomas Rabe.
„The Boys“ als Doppelspitze?
Der 60 Jahre alte Rabe ist seit 2006 im Vorstand und seit 2012 Vorsitzender. Seit 2019 ist er zudem CEO des börsennotierten Fernseh- und Streaming-Unternehmens RTL, an dem Bertelsmann mit mehr als 75% beteiligt ist. Im Frühjahr 2024 hatte Rabe angekündigt, seinen Ende 2026 auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Möglicherweise zieht er sich schon einige Monate vorher von beiden Posten zurück, wenn die Nachfolgeentscheidungen gefallen sind. Rabe stehe eben lieber ganz an der Spitze als einen Platz dahinter, heißt es im Konzern.
In diesen Tagen fiele dann auch die Entscheidung, ob es künftig eine Doppelspitze gibt. Eine andere Variante wäre, dass einer der beiden Coesfeld-Brüder auf den Vorstandsvorsitz berufen wird und der andere eine aufgewertete Position im Vorstand erhält. Ebenso denkbar ist, dass wegen ihres relativ jungen Alters eine Übergangslösung beschlossen wird. Rabe nennt die Brüder gelegentlich „The Boys“.
Rasante Karrieren
Beide haben eine rasante Karriere hinter sich und waren mitunter nur zwei oder drei Jahre in der jeweiligen Funktion tätig. Über einen längeren Zeitraum konnten sie so ihre Fähigkeiten für eine Aufgabe noch nicht unter Beweis stellen. Beide haben Betriebswirtschaft studiert. Carsten Coesfeld startete 2009 bei Goldman Sachs in London, wechselte zwei Jahre später als Assistent des Vorstandsvorsitzenden zu Bertelsmann und bekam ein Jahr danach seine erste Führungsaufgabe.
Sein drei Jahre jüngerer Bruder Thomas begann seine Laufbahn 2014 im Beratungsunternehmen McKinsey. Auch er wechselte zwei Jahre nach dem Start zu Bertelsmann. 2018 wurde er Strategiechef der Bertelsmann-Druckdienstleistungsfirma Mohn Media. Weitere Führungsaufgaben folgten, seit 2020 in der Musiktochter BMG.
„Überdurchschnittliches Potenzial“
Im Juni dieses Jahres hatte Aufsichtsratschef Christoph Mohn während der jährlichen Führungskräftekonferenz mit 500 Bertelsmann-Managern angekündigt, der Personalausschuss des Aufsichtsrats werde die Eignung der Kandidaten prüfen. Er attestierte Thomas und Carsten Coesfeld „überdurchschnittliches Potenzial“. Dass ein Manager von außen den Vorstandsvorsitz des Konzerns übernimmt, ist ziemlich unwahrscheinlich, wie Mohn damals andeutete. Christoph Mohn (60) ist ein Sohn von Reinhard und Liz Mohn. Aus Reinhard Mohns vorangegangener Ehe stammt die Mutter von Thomas und Carsten Coesfeld.
