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Ferdinand Piëch 80

Von Carsten Steevens, Hamburg Börsen-Zeitung, 13.4.2017 Anders als vor zehn Jahren wird es am Ostermontag zum runden Geburtstag von Ferdinand Piëch keine großen Feierlichkeiten geben. Der langjährige Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende von...

Ferdinand Piëch 80

Von Carsten Steevens, HamburgAnders als vor zehn Jahren wird es am Ostermontag zum runden Geburtstag von Ferdinand Piëch keine großen Feierlichkeiten geben. Der langjährige Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende von Volkswagen, der am 17. April sein 80. Lebensjahr vollendet, hat sich nach dem abrupten Rücktritt von seinem Posten an der Spitze des Kontrollgremiums vor fast genau zwei Jahren nicht nur aus der Öffentlichkeit nahezu vollständig zurückgezogen. Es kam auch zu einer Entfremdung von dem Unternehmen, das der in Wien geborene Enkel des “Käfer”-Konstrukteurs Ferdinand Porsche in den vergangenen Jahrzehnten wie kein anderer geprägt hat.Diese Distanzierung manifestierte sich im Februar in der öffentlich gewordenen Anschuldigung, Mitglieder des Aufsichtsrats hätten früher als bis dato dargestellt von den Dieselabgasmanipulationen gewusst und nichts zur Aufklärung des milliardenteuren Skandals beigetragen. Der Aufsichtsrat von Volkswagen, dem neben dem rund fünf Jahre jüngeren Bruder Hans Michel Piëch und dem 73 Jahre alten Cousin Wolfgang Porsche noch zwei weitere Mitglieder des Familienclans Porsche-Piëch angehören, sah sich genötigt, die Behauptungen “mit allem Nachdruck” als falsch zurückzuweisen. Spekulationen erhielten neue Nahrung, hier übe der Patriarch von Volkswagen aus Verbitterung über seinen Abgang Vergeltung. Auf DistanzPiëch hatte am 25. April 2015 nach rund 13 Jahren sein Amt als VW-Aufsichtsratsvorsitzender sowie alle weiteren Mandate innerhalb des Volkswagen-Konzerns aufgegeben. Zuvor waren die übrigen Mitglieder im Aufsichtsrat – nicht nur die der Arbeitnehmerseite – Martin Winterkorn zur Seite gesprungen, nachdem Piëch mit dem vom “Spiegel” wiedergegebenen Zitat “Ich bin auf Distanz zu Winterkorn” öffentlich die Demontage des 2007 ins Amt gekommenen Vorstandsvorsitzenden betrieben hatte. Einmal mehr festigte Piëch das Bild des rabiaten Machtmenschen, der mit wenigen Worten Managerkarrieren beenden kann. Winterkorn indes blieb im Amt, bis er ein knappes halbes Jahr später die Verantwortung für den in den USA bekannt gewordenen Abgasskandal übernahm und von seinem Posten zurücktrat.Formal auf Distanz zum Wolfsburger Konzern, der unter seiner Ägide zu einem Imperium mit zwölf Marken wurde und der seit der Übernahmeschlacht zwischen Porsche und VW vor gut acht Jahren über die Porsche Holding mehrheitlich von den Aktionärsfamilien Porsche-Piëch beherrscht wird, ging Piëch mittlerweile auch mit dem Verkauf eines wesentlichen Teils seiner über Stiftungen gehaltenen Stammaktien an andere Familienmitglieder. Den letzten Anstoß dazu gaben offenbar die Anschuldigungen in der Abgasaffäre gegenüber der Staatsanwaltschaft. Wenig später zirkulierten Berichte, die Familien drängten Piëch auf ein Ausscheiden auch aus dem Aufsichtsrat der Porsche Holding. Mit der Übernahme der Anteile seines Bruders verfügt Hans Michel Piëch künftig über eine Sperrminorität – diese hatten bislang beide zusammen.Indirekt bleibt Ferdinand Piëch noch an der Porsche-und-Piëch-Familien-GmbH beteiligt, hat aber damit auf Entscheidungen der Familien keinen Einfluss mehr, wie Wolfgang Porsche in einem Interview mit der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” versicherte. In dem Clan, dem immer wieder Fehden zwischen den Familienstämmen unterstellt wurden, wird mit der neuen Struktur die Erwartung verbunden, dass Entscheidungen auf der Piëch-Seite und Abstimmungen im Familienkreis künftig leichter fallen sollten.Dass Piëch auch emotional auf Abstand zu seinem Lebenswerk geht, ist indes wohl auszuschließen – nicht nur in Anbetracht der verbliebenen Restbeteiligung. “Bitte vergessen Sie die Kunden nicht, sie sind für die Existenz des Unternehmens am wichtigsten”, sagte er nun der “Automobilwoche”. Wäre ihm die Zukunft des heute weltgrößten Fahrzeugkonzerns mittlerweile gleichgültig, Piëch würde die Öffentlichkeit weiter meiden und schon gar solche Sorgen für sich behalten.Bevor er 1993 als Nachfolger von Carl Hahn Vorstandsvorsitzender von Volkswagen wurde, hatte sich Piëch seit den frühen 1970er Jahren bei der Tochter Audi NSU Auto Union (ab 1985 Audi) in der technischen Entwicklung profiliert. Auch wenn nicht alle Initiativen ein Verkaufserfolg wurden, trugen Innovationen wie die Aluminium-Karosserie in Leichtbauweise, der permanente Allradantrieb und der TDI-Motor mit Dieseldirekteinspritzung zum Aufbau von Audi als Premiummarke bei. Der studierte Maschinenbauer, Sohn des Anwalts Anton Piëch und Ferdinand Porsches Tochter Louise, der seine Laufbahn 1963 bei Porsche in Stuttgart begann, rückte 1988 an die Audi-Spitze.Bei VW, zum Start von Piëch in Wolfsburg tief in der Verlustzone, gelang es dem neuen Vorstandschef, durch Optimierung bei Produktion und Beschaffung, durch weitreichende Restrukturierungsmaßnahmen bald wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Prägend für die Ära Piëch wurden ein hoher Qualitätsanspruch sowie die Ausdehnung des Konzerns in das Luxus- und Sportwagensegment mit Marken wie Bugatti, Lamborghini und Bentley sowie in das Lastwagen- und Motorradgeschäft. Dabei zeigten Entwicklungen wie der Drei-Liter-Lupo und der Prototyp eines noch verbrauchsärmeren Fahrzeugs immer wieder auch das Bestreben, mit technischen Innovationen Grundlagen für den wirtschaftlichen Erfolg der Zukunft zu legen. Schwierige WürdigungDass die vergangenen zwei Jahre die Leistungen Ferdinand Piëchs für den VW-Konzern in den Schatten stellen werden, wird indes nicht nur in Wolfsburg bestritten. Für den zweitgrößten Aktionär Niedersachsen (20 %) im Aufsichtsrat vertreten, wehrte sich Ministerpräsident Stephan Weil im Februar gegen Piëchs Behauptungen in der Abgasaffäre mit den Worten, dieser verbreite “Fake News”. Zugleich würdigte der SPD-Politiker aber auch die “unbestreitbar großen Verdienste” Piëchs um den Konzern im Laufe vieler Jahre. Doch der Umgang mit dem kommenden Geburtstag fällt nach den Ereignissen der jüngeren Vergangenheit nicht leicht: Einen Empfang hält man bei Volkswagen offenbar für nicht angemessen, ein Fest plant auch die Familienholding in Stuttgart nicht. Stattdessen könnten Würdigungen Piëchs in den Osterausgaben überregionaler Tageszeitungen erscheinen.