10 Jahre im Amt

Lufthansa-Chef will noch ein bisschen bleiben

Carsten Spohr steht seit zehn Jahren an der Spitze der Lufthansa. Das Unternehmen wirft Milliardengewinne ab, hat aber auch mit Problemen zu kämpfen.

Lufthansa-Chef will noch ein bisschen bleiben

Lufthansa-Chef will noch ein bisschen bleiben

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Wenn man einige Jahre als Pilot in einem Flugzeug-Cockpit geflogen ist, ist man an Turbulenzen gewöhnt. Seinen Start an der Spitze des Lufthansa-Konzerns hätte sich Carsten Spohr aber vor zehn Jahren sicher trotzdem weniger ruckelig gewünscht. Denn seiner Ernennung als Chef des Luftfahrtkonzerns war eine monatelange Hängepartie vorausgegangen, während deren sich der Aufsichtsrat nicht für einen Vorstandsvorsitzenden entscheiden konnte und an deren Ende Spohr fast zu einer Art Verlegenheitskandidat degradiert war. Doch Spohr ist keiner, der sich lange mit ollen Kamellen aufhält. Zumal er, der bei seinem Amtsantritt am 1. Mai 2014 schon jahrzehntelang bei der Lufthansa gearbeitet hatte, keine Einarbeitungszeit benötigte und gleich loslegen konnte. Heute, zehn Jahre später, sitzt der 57-Jährige fest im Sattel und hat vor wenigen Monaten seinen Vertrag bis Ende 2028 verlängert – dann ist er 62 Jahre alt und in seinem Fall interessiert keinen die von der Lufthansa lange gepredigte Altersgrenze von 60 Jahren für die Führungsmannschaft. Nicht ausgeschlossen, dass auch er wie seine Vorgänger Jürgen Weber und Wolfgang Mayrhuber irgendwann an die Spitze des Aufsichtsrates rückt – als Mister Lufthansa wie der legendäre Weber wird dessen einstiger persönlicher Assistent von manchem jetzt schon tituliert.

Nach einigen Jahren Abstinenz winkt wieder eine Dividende

Als Pilot und Wirtschaftsingenieur ist Spohr für die technikgetriebene Lufthansa eigentlich eine Idealbesetzung. Dazu sein selbstbewusstes Auftreten, das keinen Platz für Zweifel an Entscheidungsfreude und Vehemenz in der Umsetzung aufkommen lässt – fertig ist Mister Lufthansa. Was hatte man sich am leise auftretenden und analytisch denkenden Spohr-Vorgänger Christoph Franz gerieben, zumal der – aus Sicht der Lufthanseaten zu allem Übel – auch noch nicht einmal seine gesamte Karriere beim Kranich verbracht hatte. Der Erfolg gab Spohr und seinen Unterstützern recht. Die Verwerfungen der Pandemie ausgenommen, wirft das Unternehmen verlässlich Milliardengewinne ab. Nach einigen Jahren Abstinenz winkt den Aktionären für das abgelaufene Jahr wieder eine Dividende, das dürfte die Stimmung bei der Hauptversammlung in der kommenden Woche trotz bescheidener Aktienkurs-Entwicklung heben. Und selbst die Krisenbewältigung nach der Germanwings-Katastrophe im Frühjahr 2015 gelang Wahl-Münchner Spohr mit Bravour.

Doch die kritischen Stimmen werden lauter, zumal die, die finden, dem Konzern täte mal mehr Input von außen gut. Zu sehr sei Spohr in der Lufthansa-Welt verortet, zu wenig werde über den Tellerrand geschaut. All die guten Nachrichten, die der Vater zweier Töchter in den zehn Jahren an der Spitze des Luftfahrtkonzerns produziert hat, können zudem nicht darüber hinwegtäuschen, dass der CEO es auch mit jeder Menge Baustellen zu tun hat. Beispielhaft wären da die zahlreichen Tarifkonflikte zu nennen, die bisher an den Nerven jedes Lufthansa-Chefs zehrten. Die Belegschaft dauerhaft zu befrieden, ist auch dem charismatischen Spohr nicht gelungen, auch wenn nach den jüngsten Einigungen mit verschiedenen Arbeitgebergruppen nun erst einmal Tariffrieden einkehren könnte.

Konkurrenz aus dem Mittleren Osten

Auch bei den Kunden stößt Lufthansa immer weniger auf uneingeschränkte Begeisterung. Gerade die Konkurrenz aus dem Mittleren Osten ist der deutschen Airline nach Meinung vieler Vielflieger in Sachen Angebot meilenweit voraus. Spohr hat sich vorgenommen, mit Hilfe von Milliarden-Investitionen nicht nur in neues Fluggerät den Anschluss zu schaffen, der Weg dorthin ist aber auch aufgrund stockender Flugzeug-Auslieferungen steinig. Auch in Sachen Klimaneutralität hat sich Lufthansa ebenso wie die Wettbewerber hehre Ziele gesteckt, doch es geht nur in Trippelschritten voran.

Trotz der Herausforderungen, vor denen Lufthansa steht, sah es zuletzt danach aus, als würde die Firmenführung nicht an einem Strang ziehen. Mit den Vorständen Detlef Kayser, Harry Hohmeister, Remco Steenbergen und Christina Foerster verlässt demnächst ein Großteil des Vorstandes das Management, die Lücken sind bisher noch nicht komplett geschlossen. Mit Grazia Vittadini rückt zudem von außen eine Managerin neu in die Vorstandriege ein, die als durchsetzungsstark und ehrgeizig gilt. Als vor vielen Jahren die frühere Lufthansa-CFO Simone Menne in einem Interview kundgetan hatte, sie traue sich auch die Führung eines (!) Unternehmens zu, war ihre Karriere bei der Fluglinie schnell beendet. Neue Konflikte könnten also programmiert sein.

Noch ist nicht Partytime

Als kürzlich Condor-Chef Ralf Teckentrup mit einer fulminanten Feier am Düsseldorfer Flughafen verabschiedet wurde, merkte man Spohr bei seiner Rede dort an, dass ihn dieses Ambiente beeindruckte. Es ist sicher nicht jedem vergönnt, so verabschiedet zu werden. Die Condor-Mitarbeiter haben Teckentrup nicht nur dafür gefeiert, dass er die Airline gerettet hat, sondern auch dafür, dass er bereit war, jede Menge alter Zöpfe abzuschneiden – zum Wohle der Firma. Spohr wird frühestens in viereinhalb Jahren verabschiedet, man kann gespannt sein, wie seine Abschiedsparty ausfällt.