Tech-Entrepreneur

Forrest Li hängt Singapurs Crazy Rich Asians ab

Chinesische Tech-Entrepreneure haben es vor dem Hintergrund einer aufwühlenden und eindeutig politisch motivierten Regulierungs- und Hetzkampagne gegen führende Internet- und Technologiefirmen alles andere als leicht. Die in New York und Hongkong...

Forrest Li hängt Singapurs Crazy Rich Asians ab

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Chinesische Tech-Entrepreneure haben es vor dem Hintergrund einer aufwühlenden und eindeutig politisch motivierten Regulierungs- und Hetzkampagne gegen führende Internet- und Technologiefirmen alles andere als leicht. Die in New York und Hongkong notierten Aktien der Sektorgiganten Alibaba und Tencent haben in diesem Jahr zusammengenommen rund 330 Mrd. Dollar an Marktwert eingebüßt. Mit dem Tech-Kahlschlag an der Börse ist es auch zu einem Revirement in Chinas Reichenliste gekommen, wo der Getränkebaron Zhong Shanshan die Gründer von Alibaba und Tencent, Jack Ma und Pony Ma, an der Spitze abgelöst hat.

Spitzenplatz in Singapur

Genau umgekehrt sieht es derzeit im von chinesischer Geschäftskultur wesentlich geprägten südostasiatischen Stadtstaat Singapur aus. Dort hat jetzt der Gründer und Chef des steil aufstrebenden Technologiekonzerns Sea Group, Forrest Li, mit einem auf rund 20 Mrd. Dollar hochgeschnellten Vermögen den in klassischen Industriebereichen wie Spezialchemie aufgestellten Firmentycoon Goh Cheng Liang mit rund 17,7 Mrd. Dollar deutlich überholt.

Der chinesisch geprägte Geldadel in Singapur versteht etwas von Reichtum und Jet-Set-Leben, wie man spätestens seit dem Hollywood-Kinohit „Crazy Rich Asians“ weiß. Allerdings sind dort vor allem Immobilienfürsten, Investmentbanker und Handelsmagnaten sowie einige zugereiste Entrepreneure tonangebend, wobei Letztere vor allem die Steueroase-Qualitäten und noch immer diskrete Private-Banking-Kultur zu schätzen wissen.

Zurückhaltender Auftritt

Der eher bescheiden und zurückhaltend auftretende Li hat mit Singapurs High Society allerdings wenig am Hut und weist auch einen ganz anderen Hintergrund auf. Der in der Hafenstadt Tianjin aufgewachsene gebürtige Festlandchinese machte einen Ingenieursabschluss an der angesehenen Jiaotong University in Schanghai und tauchte dann mit einem MBA-Studium an der Stanford Graduate School of Business in die Silicon-Valley-Szene ein.

Name aus Hollywood

Weil ein Stanford-Tutor seinen chinesischen Vornamen Xiadong nicht auszusprechen wusste, gab er sich damals den Namen Forrest, der tatsächlich dem Helden des Hollywood-Films „Forrest Gump“ entlehnt ist. Der Weg nach Singapur wiederum fand sich über die Bekanntschaft zu einer von Singapur entsandten Stanford-Stipendiatin. Li folgte ihr zurück in ihre Heimat, um sich nach der Heirat dort einzubürgern und erste Gehversuche als Tech-Entrepreneur mit der Gründung eines Online-Spieleanbieters zu unternehmen.

Wie Alibaba und Ant Group

Die von Li aufgezogene Sea Group ist mit ihren Schwerpunkten bei E-Commerce, Online-Spielen, Social Media und Fintech in gewisser Weise ein Amalgam der Betätigungsfelder von Alibaba und ihrer Fintech-Schwester Ant Group sowie Tencent. Sea Group hat die Turbogeschäftsmodelle der chinesischen Platzhirsche auf den zwar nicht ganz so riesigen, aber dennoch ungemein wachstumsstarken südostasiatischen Markt zu übertragen gewusst, für den das Finanz- und Handelszentrum Singapur eine Art Brückenkopf abgibt. Während die von der unheimlich wirkenden chinesischen Regulierungskampagne erfassten Tech-Unternehmen in Hongkong und an den New Yorker Börsen in den vergangenen sechs Monaten massiv abgestürzt sind, haben die in New York gelisteten Sea-Anteilscheine seit März um mehr als 50% zugelegt. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Winter 2020 kommen die Titel gar auf eine Performance von knapp 700%. Bei einer Börsenkapitalisierung von zuletzt 183 Mrd. Dollar ist Sea nun mit einem Riesenabstand auf Singapurs Großbank DBS das bei weitem wertvollste Unternehmen im südostasiatischen Raum.

Lohnende Standortwahl

Für Forrest Li hat sich der Verzicht auf eine Rückkehr in die chinesische Heimat und der Fokus auf Tech-Welten in Singapur, Malaysia, Indonesien und Umgebung in jedem Fall gelohnt. Das dürfte ihm in diesen Wochen umso mehr bewusst sein, da chinesische Tech-Granden auf dem Festland vor der Parteiführung in den Staub kriechen und politische Folgsamkeit demonstrieren müssen, anstatt für ihre unternehmerischen Errungenschaften gefeiert zu werden. Wie heißt es doch in der wohl berühmtesten Szene des Forrest-Gump-Films: „Das Leben ist wie eine Pralinenschachtel, man weiß nie, was man kriegt.“