Unbezahlte Rechnungen

Frankreichs umstrittenster Geschäftsmann

Der Chef des Pariser Kaufhauses BHV, Frédéric Merlin, sorgt wegen einer Partnerschaft Shein und unbezahlten Rechnungen für Schlagzeilen.

Frankreichs umstrittenster Geschäftsmann

Frankreichs umstrittenster Geschäftsmann

wü Paris

Er sei eine jüngere Ausgabe von Bernard Tapie, sagt ein Immobilienspezialist in Anspielung auf den schillernden französischen Geschäftsmann. Vor allem aber ist Frédéric Merlin derzeit der Investor, der in seiner Heimat Frankreich für die meisten Negativ-Schlagzeilen sorgt. Seit seine Immobiliengesellschaft Société des grands magasins (SGM) das 1856 gegründete Pariser Traditionskaufhaus BHV übernommen und dort den chinesischen Billigmodehändler Shein mit einem Shop-in-Shop einziehen lassen hat, reißt die Empörung nicht ab.

Damit nicht genug, denn der 34-Jährige sitzt auf einem Haufen unbezahlter Rechnungen. Etliche Marken wie Maison Lejaby und Swarovski, die bisher in dem gegenüber dem Pariser Rathaus im Marais gelegenen Kaufhaus vertreten waren, haben deshalb ihre Zusammenarbeit aufgekündigt. Eine Tendenz, die sich seit dem Einzug Sheins in den sechsten Stock des BHV Anfang November noch verstärkt hat. So hat Disneyland Paris eine geplante Kooperation für die Weihnachtszeit abgesagt, Dior, Guerlain, Maje, Sandro und andere Marken ihre Koffer gepackt.

Merlin muss Finanzierung sichern

Die Zeit drängt. Merlins Gesellschaft SGM schuldet den Marken nicht nur 5 bis 12 Mill. Euro. Sie muss bis zum 19. Dezember auch eine Finanzierung finden, um der Galéries Lafayette-Gruppe die laut dem Wirtschaftsmagazin „Challenges“ auf 300 Mill. Euro geschätzten Mauern des BHV abzukaufen, nachdem er 2023 bereits den Firmenwert übernommen hat. Eigentlich hatte er sich dafür die Unterstützung der Banques des Territoires gesichert, die zur staatlichen Caisse des dépôts gehört.

Doch nachdem Merlin Anfang Oktober die Ankunft Sheins im BHV und in zu SGM gehörenden Galéries Lafayette-Kaufhäusern in Provinzstädten wie Dijon, Grenoble, Reims, Limoges et Angers ankündigte, zog sich die Bank zurück. Die chinesische Plattform, mit der SGM eine Partnerschaft geschlossen habe, passe nicht zu den Werten und Beteiligungsgrundsätze von Banques des Territoires, erklärte sie. Deshalb habe man die Verhandlungen über die Gründung einer gemeinsamen Immobiliengesellschaft zum Kauf der Mauern des BHV abgesagt.

Anhörung vor der Assemblée Nationale

Die Situation des Traditionskaufhauses, das für seine große Heimwerkerabteilung im Untergeschoss bekannt ist und eine der besten Lampenabteilungen von Paris besitzt, hat längst die Politik auf den Plan gerufen. Merlin, der im Alter von nur 20 Jahren mithilfe eines Studentenkredits nach einem Fachhochschulabschluss als Immobilienhändler zusammen mit seiner Schwester Maryline in Lyon seine erste Gesellschaft gegründet hat, musste deshalb dem Wirtschaftsausschuss der Nationalversammlung diesen Mittwoch Rede und Antwort stehen.

Er bedauere sehr, dass die Banques des Territoires einem starken politischen Druck ausgesetzt gewesen sei, erklärte er dort. Er verhandele inzwischen mit amerikanischen und britischen Investmentfonds. „Alle werden bezahlt werden“, versprach Merlin. Er habe bereits 50 Mill. Euro in das BHV investiert; seine Gruppe sei nur mit 45% verschuldet. Bei der Partnerschaft mit Shein gehe es nicht um den dadurch ausgelösten Medienrummel, sondern um das geschäftliche Überleben.