Wirtschaftsforschung

Fratzscher soll bis 2028 an der DIW-Spitze bleiben

Marcel Fratzscher soll bis 2028 an der Spitze des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW bleiben. Ob es so kommt, scheint aber fraglich. Immer wieder wird er für andere Posten gehandelt; aktuell etwa für die Nachfolge von Bundesbankpräsident Jens Weidmann.

Fratzscher soll bis 2028 an der DIW-Spitze bleiben

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Seit Februar 2013 steht Marcel Fratzscher an der Spitze des DIW, eines der größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute – und das soll jetzt auch bis mindestens 2028 so bleiben: Das DIW-Kuratorium be­schloss nun eine Wiederbestellung Fratzschers, gemäß derer er das Institut ab Februar 2023 für weitere fünf Jahre führen soll. Ob Fratzscher dem DIW tatsächlich bis 2028 erhalten bleibt, scheint aber fraglich – schließlich wird er immer wieder für andere, prominente Posten gehandelt; aktuell etwa für die Nachfolge von Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der Ende 2021 vorzeitig zurücktritt.

„Wir freuen uns sehr, mit Marcel Fratzscher einen so herausragenden und profilierten Wissenschaftler an der Spitze des Instituts zu haben“, sagte nun anlässlich der Wiederbestellung die DIW-Kuratoriumsvorsitzende Sigrid Nikutta. „Marcel Fratzscher hat maßgeblich zur hervorragenden Positionierung des DIW Berlin in der Öffentlichkeit, Forschung, Politikberatung, beim Wissenstransfer und bei der Nachwuchsförderung beigetragen.“

Tatsächlich hat der 50-Jährige mit starker medialer Präsenz und teils kontroversen Thesen dafür gesorgt, dass das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in der breiteren Öffentlichkeit wahrnehmbar ist. Fratzscher, der zuvor lange Jahre Ab­teilungsleiter bei der Europäischen Zentralbank (EZB) war, hat dabei von Anfang an auch darauf gesetzt, der stark ordnungspolitischen Ausrichtung vieler deutscher Ökonomen etwas entgegenzusetzen. Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit beim DIW ließ Fratzscher mit Berechnungen zur Investitionslücke in Deutschland aufhorchen. 2014 berief ihn der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in eine Regierungskommission zum Thema.

Unumstritten ist der streitlustige Fratzscher aber nicht. Immer mal wie­der sieht er sich dem Vorwurf ausgesetzt, unter seiner medialen Präsenz leide die wissenschaftliche Arbeit des Instituts. Und intern gab es wiederholt Streit über Personalentscheidungen und strategische Ausrichtungen. Das Kuratorium des DIW ist aber von Fratzschers Arbeit überzeugt, wie die jetzige Wiederbestellung eindrucksvoll dokumentiert.

Viele Kritiker und manche Neider werfen Fratzscher zudem eine mangelnde Distanz zur Politik und insbesondere zur SPD vor. Es ist aber auch diese Nähe zur SPD, die zugleich dafür sorgt, dass Fratzschers Name immer wieder fällt, wenn in Deutschland wichtige Ökonomenposten zu vergeben sind. Anfang dieses Jahres hätte die SPD Fratzscher wohl gerne in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berufen, als die Amtszeit von Lars Feld auslief. Der Widerstand in der Union aber war groß. Bis heute gibt es nur vier statt fünf Wirtschaftsweise.

Aktuell gilt Fratzscher auch als ein Kandidat für die Nachfolge von Bundesbankchef Weidmann, der un­längst seinen Rückzug verkündet hat – auch aus Frust über die ultralockere Geldpolitik der EZB. Der Schritt hat auch unter den Partnern einer möglichen Ampel-Koalition einen Richtungsstreit über die Zukunft der Bundesbank ausgelöst (vgl. BZ vom 21. Oktober). Der grüne Co-Vorsitzende Robert Habeck mahnte sogleich einen Neuanfang an. FDP-Chef­ Christian Lindner warnte dagegen vor einem Kurswechsel und einer Abkehr von der stabilitätspolitischen Orientierung der Bundesbank.

Fratzscher würde durchaus für eine gewisse Neuausrichtung stehen. In den vergangenen Jahren hat er die EZB-Geldpolitik leidenschaftlich gegen Kritiker aus Deutschland verteidigt, und auch in der aktuellen Debatte über die hohe Inflation hat er sich klar auf die EZB-Seite geschlagen, die die hohe Inflation als temporär ansieht und nicht an der ultralockeren Geldpolitik rütteln will. Gerade solche Positionen könnten aber dazu führen, dass Fratzscher der FDP nicht als künftiger Bundesbankpräsident vermittelbar ist.

Fratzscher seinerseits betonte jetzt erst einmal, dass es „eine große Ehre“ sei, ein so renommiertes Institut wie das DIW zu führen. In den vergangenen Jahren sei bereits „viel geschafft“ worden, und in den nächsten Jahren wolle man „diesen Weg weitergehen“. „Ich freue mich, weiterhin ein Teil davon zu sein.“

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