Neue Aktionäre erzwingen Neubesetzung

Führungswechsel bei Telefónica mit politischem Beigeschmack

Der Chef des Verteidigungskonzerns Indra, Marc Murtra, löst Álvarez-Pallete an der Spitze von Telefónica ab. Dahinter steckt die Regierung.

Führungswechsel bei Telefónica mit politischem Beigeschmack

Führungswechsel bei Telefónica mit politischem Beigeschmack

Der plötzliche Wechsel an der Spitze von Telefónica hat Kritik an der spanischen Regierung ausgelöst, während die Aktien am Montag zum Börsenauftakt kräftig verlor. Am Samstag hatte der Aufsichtsrat des spanischen Telekomkonzerns auf einer eilig angesetzten Sondersitzung die Ablösung von José María Álvarez-Pallete durch Marc Murtra als Vorsitzender mit exekutiven Funktionen beschlossen. Hinter dem Schritt steckt offenbar Ministerpräsident Pedro Sánchez von den Sozialisten, nachdem die staatliche Industrieholding Sepi zuletzt 10 % der Anteile von Telefónica erwarb. Die konservative Opposition kritisierte den „Interventionismus“ der Regierung, wie auch einige Analysten.

Dabei geht es mehr um die Form, denn es gab durchaus Gründe für einen Wechsel an der Spitze des Unternehmens. Sánchez soll Álvarez-Pallete am Freitag in seinen Amtssitz bestellt haben, um ihm den Rücktritt aufzuzwingen, wie die Medien einvernehmlich berichten. In Madrid wundert man sich, warum die Regierung nicht bis zur turnusgemäßen Aufsichtsratssitzung Ende des Monats gewartet hat, oder bis zur Hauptversammlung von Telefónica im April, auf der das Mandat von Álvarez-Pallete hätte erneuert werden müssen. In einer Pressemitteilung des Unternehmens wird die Entscheidung damit begründet, dass der Vorsitz „an die neue Aktionärsstruktur angepasst“ werde. Die neuen Aktionäre sehen außerdem „die Notwendigkeit für eine neue Etappe“. Die drastische Veränderung der Aktionärsstruktur von Telefónica begann mit dem Einstieg der staatlichen Saudi Telecom Company im September 2023. Nach langem Tauziehen hat die spanische Regierung STC vor kurzem die Erlaubnis gegeben, ihren Anteil auf 10% auszubauen. Doch im letzten Jahr erwarb Sepi ebenfalls einen Anteil von 10%. Das wurde damit begründet, dass man den nationalen Einfluss beim Telekomkonzern garantieren müsse. Die einflussreiche Stiftung von La Caixa baute in diesem Zug ihren Anteil von 5 auf 10% aus. Die Personalentscheidung soll im Einvernehmen der drei Hauptaktionäre getroffen worden sein, schreiben Branchenkenner.

Soll vorzeitig zum Rücktritt gezwungen worden sein: José María Álvarez-Pallete.

Schwache Aktie

Abgesehen vom Zeitpunkt und der Art und Weise kommt die Absetzung von Álvarez-Pallete nicht ganz überraschend. Seit er 2016 vom langjährigen Vorsitzenden César Alierta übernahm, hat der 61-jährige Madrilene viel Kritik für den enttäuschenden Rückgang des Aktienkurses einstecken müssen. Dabei gelang es dem Volkswirt den gigantischen Schuldenberg von Telefónica auf 28,7 Mrd. Euro zu halbieren, zum guten Teil durch Verkäufe von Aktiva in Lateinamerika, Mobilfunktürmen oder der Fusion der britischen Tochter mit Virgin Media. Er beschloss, sich auf vier Kernmärkte zu konzentrieren: Spanien, Brasilien, Deutschland und Großbritannien.

Murtra erbt den Strategieplan, der einen weiteren Schuldenabbau und eine Erhöhung des Cashflows vorsieht. Der 52-jährige Katalane kommt vom Verteidigungs- und Technologiekonzern Indra, den die Regierung mit einem staatlichen Anteil von 28% der Aktien kontrolliert. Der Ingenieur steht den Sozialisten von Sánchez nahe und war 2006 bis 2008 Kabinettsleiter des damaligen Industrieministers Joan Clos von den katalanischen Sozialisten. Murtra begann seine Karriere bei British Nuclear Fuels und hat Erfahrung im Finanzsektor und im Digital-Bereich. Sánchez ernannte ihn 2021 zum Vorsitzenden des Ibex-Konzerns Indra.

Die Konservativen und politische Kommentatoren sehen hinter der Personalie politische Motive von Sánchez. Denn Telefónica spielt in Spanien nicht zuletzt in den Medien eine gewichtige Rolle, sowohl als Werbekunde, als auch mit dem eigenen Bezahl-Fernsehprogramm. Murtra wird daher von Beginn an unter Beobachtung stehen. Andererseits kann er sich vorerst der Unterstützung der drei Großaktionäre sicher sein, im Gegensatz zu seinem Vorgänger.

Von Thilo Schäfer, Madrid
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