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George Scangos - ein Leben für die Biotech

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 22.7.2016 Vor knapp zehn Jahren stand der US-Investor Carl Icahn beim Biotechunternehmen Biogen mit einer klaren Diagnose und einem unmissverständlichen Therapievorschlag vor der Tür. Der Milliardär...

George Scangos - ein Leben für die Biotech

Von Sabine Wadewitz, FrankfurtVor knapp zehn Jahren stand der US-Investor Carl Icahn beim Biotechunternehmen Biogen mit einer klaren Diagnose und einem unmissverständlichen Therapievorschlag vor der Tür. Der Milliardär hatte sich mit 6 % eingekauft, bescheinigte dem Management eine unzureichende Performance, forderte Board-Sitze und verordnete den Verkauf des Unternehmens, das damals knapp 20 Mrd. Dollar Marktwert auf die Waage brachte. Der Aktienkurs kletterte ob des absehbaren Geldsegens um ein Fünftel, doch es biss keiner an, und Biogen ging zum Tagesgeschäft zurück, die Übernahmefantasie verpuffte. Icahn setzte zwar später zwei Board-Sitze durch, doch die Geduld des Firmenjägers hatte ihre Grenzen. Er stieg 2011 genervt aus und versuchte sein Glück bei einem anderen Biotechwert, der Forest Laboratories. Diese Wette ging auf: Mit dem Verkauf von Forest an den irischen Arzneimittelkonzern Actavis feierte Icahn eines seiner erfolgreichsten Investments.Aktionäre, die bei Biogen mehr Ausdauer zeigten, konnten allerdings auch noch ihren Schnitt machen. Über die Zeit hat Biogen restrukturiert, zahlte den Kooperationspartner Idec aus, bündelte die Kräfte in der Forschung und kündigte jüngst sogar die Aufspaltung an. Heute ist das Unternehmen knapp 60 Mrd. Dollar schwer, zum Höchstkurs im Frühjahr 2015 bewegte sich der Börsenwert auf die Marke von 100 Mrd. Dollar zu.Der Aufstieg gelang unter der Ägide des Managers George Scangos, der 2010 als CEO in das Unternehmen geholt wurde und nun im Alter von 68 Jahren seine Mission für erfüllt hält. Der Amerikaner mit griechischen Wurzeln kündigte gestern mit Vorlage der Quartalszahlen seinen Rücktritt an. Er wolle mehr Zeit mit seiner Familie verbringen und zurück an die Westküste der USA ziehen – Biogen hat ihren Sitz in Cambridge/Massachusetts. Sein Nachfolger, den man in den nächsten Monaten finden will, ist mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie Scangos bei seinem Start. Auch er muss mehr Schwung in Forschung und Entwicklung bringen und die Verkäufe aus dem aktuellen Sortiment beschleunigen. Biogen bewegt sich mit ihrem Schwerpunkt auf Medikamenten zur Behandlung von Multipler Sklerose in einem harten Wettbewerb. Große Hoffnungen ruhen auf der Entwicklung von Wirkstoffen gegen die Volkskrankheit Alzheimer, wo allerdings auch große Risiken lauern. Mit den Quartalszahlen immerhin hat Biogen die Erwartungen übertroffen. Die Investoren werden mit einem Aktienrückkauf beglückt, was den Kursverfall nach dem historischen Hoch aber nicht wettmacht.Scangos ist die Karriere nicht in die Wiege gelegt worden. Seine Großeltern väterlicherseits sind von Griechenland in die USA eingewandert, sein Vater war Buchhalter, die Mutter Hausfrau, und der Filius soll erst Englisch gelernt haben, als er in die Grundschule kam. Den Naturwissenschaften näherte er sich nur zögerlich, als er mit einem Stipendium an der renommierten Cornell University sein Studium aufnahm, zunächst galt seine Leidenschaft der französischen Sprache. Doch das Feuer für Biologie war schnell entfacht und sollte ihn nicht mehr loslassen. Er wurde promoviert in einer Zeit, als sich die Gentechnik als neues Forschungsfeld durchsetzte und die ersten Zellbanken und Genkarten angelegt wurden. Bayer-VergangenheitScangos entschied sich zunächst für eine akademische Laufbahn, bevor er Mitte der achtziger Jahre zu einem Team stieß, das mit finanzieller Rückendeckung des Bayer-Konzerns in New Haven ein Start-up für Molekulardiagnostik gründete. Wenige Zeit später lockte ihn der Pharmakonzern nach Deutschland, wo er zwei Jahre blieb, um dann für Bayer in den USA das Biotechgeschäft voranzubringen. Er arbeitete zehn Jahre lang für das deutsche Unternehmen, zuletzt als President Bayer Biotechnology. Im Jahr 1996 fing er wieder klein an als President und CEO des Biotech-Start-ups Exelixis, bevor er 2010 bei Biogen den Chefposten übernahm. Er gilt als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten in der Biopharma.