Ghosn lebt so spartanisch wie noch nie
mf – Der Terminkalender von Carlos Ghosn war immer ein Jahr im Voraus bis zum Anschlag gefüllt. Der Chef der weltgrößten Autobauer-Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi teilte seine Zeit nach der Regel ein, immer nur dort Entscheidungen zu treffen, wo er sich gerade aufhielt. Seine Termine versuchte er so zu legen, dass er möglichst viel im Firmenjet schlafen konnte. Nun muss der Franzose mit Wurzeln im Libanon und in Brasilien den rasanten Lebensstil ganz unfreiwillig ändern. Seit Montag sitzt der 64-jährige Starmanager in einer Gefängniszelle in der Haftanstalt Kosuge im Osten der japanischen Hauptstadt Tokio ein. Orientiert am KaiserreichDadurch hat sich sein Alltag drastisch verlangsamt. In Japans Gefängnissen geht es nämlich extrem spartanisch zu. Bis heute orientiert sich der Strafvollzug am deutschen Kaiserreich gegen Ende des 19. Jahrhunderts. So verfügt Ghosn nur über fünf Quadratmeter Fläche inklusive Toilette. Duschen ist nur zwei mal die Woche möglich, mehr als 30 Minuten Bewegung täglich sind nicht drin. Der Tag beginnt um 7 Uhr, das karge Essen wird in Holzkästen serviert, abends schon um 16.20 Uhr. Ab 21 Uhr ist Schlafen angesagt. Es gibt weder Radio noch Fernseher, ebenso wenig wie Laptop und Handy. Die Zelle ist ungeheizt, angeblich wegen Selbstmordgefahr. “Um diese Jahreszeit ist es ziemlich kalt in Kosuge”, schrieb Takafumi Horie auf Twitter. Der Ex-Chef des Internetportals Livedoor weiß, wovon er spricht: Wegen Bilanzvergehen saß Horie selbst zweieinhalb Jahre in Haft.Für ein Alphatier wie Ghosn ist die soziale Isolation wohl am härtesten: Für Besuche gibt es maximal 15 Minuten täglich. Der brasilianische Konsul soll den Häftling nur kurz durch ein Fenster gesehen haben. Auch für Frankreichs Botschafter in Japan wurde keine Ausnahme gemacht. Die einzige “Abwechslung” bieten endlose Verhöre durch Polizisten und Staatsanwälte. Das soll Geständnisse befördern. Zwar hat Ghosn den prominenten Ex-Staatsanwalt Motonari Otsuru als Verteidiger gewählt, aber anders als in westlichen Ländern sind Anwälte bei Befragungen in Japan nicht anwesend. Ausländer erhalten nur einen Übersetzer. Bis zu zehn Jahre HaftLaut dem Tokioter Staatsanwalt Shin Kukimo wird die Fälschung von Finanzberichten mit bis zu zehn Jahren Gefängnis härter bestraft als Insiderhandel. Nach japanischen Presseberichten werden die Vorwürfe gegen Ghosn gerade ausgeweitet. In den vergangenen acht Jahren soll er in den Nissan-Finanzberichten seine Einkünfte um rund 8 Mrd. Yen (62 Mill. Euro) zu niedrig angegeben haben. Bisher war nur von 5 Mrd. Yen die Rede.