Glücksfall für das FBI, Alptraum für VW
Von Sebastian Schmid, Frankfurt”Ich hatte nicht geplant zurückzukehren. Aber dann bekam ich einen Anruf, auf den ich nur ,ja` oder ,ja, danke` antworten konnte”, hat VW-Manager Oliver Schmidt den Gastgebern der US-Show “Autoline After Hours” verraten. Das war bereits im Februar 2015 und bezog sich auf seine Rückbeorderung nach Wolfsburg. Am Samstag hat ihm nun das FBI eine Anfrage gestellt, die ebenfalls keine Ablehnung zuließ. Dem 48-Jährigen wird Beteiligung an einer Verschwörung zum Betrug der Vereinigten Staaten und der VW-Kunden sowie zur Verletzung amerikanischer Umweltgesetze vorgeworfen. Der Verantwortung bewusstSchmidts Verhaftung gilt in den USA als seltener Glücksfall für die Behörden, weil sich ausländische Manager einer drohenden Verhaftung meist durch Abwesenheit entziehen. Da er dem FBI nach der Aufdeckung des Dieselskandals seine Mitarbeit angeboten und sich in London mit Agenten getroffen hatte, wähnte Schmidt sich womöglich in Sicherheit. Dass der seit 1997 für VW tätige Schmidt als Zuständiger für die Einhaltung der US-Umweltgesetze ein Verdächtiger war, sollte ihm bewusst gewesen sein. “Ich bin praktisch verantwortlich für die gesamte Emissions-Compliance”, hatte der 48-Jährige seine Rolle als Leiter des “Energy and Environmental Office” der Volkswagen Group of America vor Jahren erläutert. In diesem Rahmen sei er auch für Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Umweltbehörden zuständig gewesen. Juristen sollen VW-Managern zuletzt davon abgeraten haben, in die USA zu reisen. Zur Automesse in Detroit ist zwar VW-Markenchef Herbert Diess angereist, nicht aber Vorstandschef Matthias Müller. Vergleich über 4 Mrd. DollarDerweil steht für den VW-Konzern eine Einigung mit dem US-Justizministerium unmittelbar bevor. Auf dem Tisch liege eine Vereinbarung, die eine Strafzahlung für VW von rund 4,3 Mrd. Dollar, wie der Konzern am Abend mitteilte. Das wäre eine Milliarde mehr, als bislang kolportiert worden war, und käme zu den bereits vereinbarten Schadenersatzzahlungen über rund 16 Mrd. Dollar hinzu. Der VW-Aufsichtsrat soll am heutigen Mittwoch tagen, um seine Zustimmung dazu zu erteilen.In dem Vergleich mit der US-Justiz soll Volkswagen zusätzlich zur Milliardenzahlung gestehen, die US-Aufsichtsbehörden über Stickoxid-Emissionen getäuscht zu haben. Zudem müsse sich das Unternehmen zu Reformen bereit erklären und sich einer unabhängigen Aufsicht unterwerfen. Volkswagen kommentierte dies indes nicht. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Konzern wären damit wohl aus der Welt. Individuelle Mitarbeiter wie Schmidt könnten von den US-Behörden aber gleichwohl weiter verfolgt werden.Die Anhörung von Schmidt am Miami Federal Court ist von Richter William C. Turnoff für Donnerstag angesetzt. Bis dahin bleibt er wegen möglicher Fluchtgefahr in Haft. US-Medien wie die “New York Times” gehen davon aus, dass über Schmidt auch versucht wird, Beweise für eine Beteiligung des Spitzenmanagements um den kurz nach Bekanntwerden des Dieselskandals zurückgetretenen Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn zu finden. Der Glücksfall für das FBI könnte sich zum Alptraum einiger VW-Manager auswachsen.Während die Tätigkeit Schmidts von einigen im Konzern dem Vernehmen nach eher der unteren Managementebene zugeordnet wird, war Schmidt in den USA ein wichtiges Gesicht Volkswagens. So war er nicht nur für die Gespräche mit der EPA und anderen Behörden zuständig, sondern äußerte sich neben Michael Horn, dem Ex-CEO der Volkswagen Group of America, auch öffentlich zu technischen Entwicklungen und Zukunftsthemen wie dem autonomen Fahren und der E-Mobilität. Volkswagen sei “führend bei sauberer Dieseltechnologie”, wird er in einer Pressemitteilung vom Februar 2014 zitiert. Laut Unterlagen des Landgerichts Braunschweig warnte er Horn bereits drei Monate später in einer E-Mail stichwortartig vor möglichen Konsequenzen von Ermittlungen der US-Umweltschutzbehörden – darunter auch das Risiko einer zweistelligen Milliardenstrafe. Deutsche hintendranDie deutsche Strafjustiz sieht sich derweil noch weit hinter dem Stand der US-Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen 21 Beschuldigte wegen des Verdachts des Betrugs. Angesichts des großen Aufwandes sei es offen, ob die strafrechtlichen Ermittlungen 2017 zum Abschluss kämen, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft laut Reuters. Vielleicht könnte eine von mehreren kleinen strafrechtlichen Untersuchungen zum Abschluss gebracht werden. Die “Süddeutsche Zeitung” hatte berichtet, Schmidt zähle in Braunschweig nicht zu den Beschuldigten.