Automobilbranche

GM-Chefin Mary Barra steht nach Fehlschlägen unter Druck

GM-Chefin Mary Barra ringt darum, die Nerven der Anleger zu beruhigen. Denn die zwei Zylinder ihrer Wachstumsstrategie drohen auszusetzen.

GM-Chefin Mary Barra steht nach Fehlschlägen unter Druck

GM-Chefin Mary Barra
repariert am offenen Motor

Von Alex Wehnert, New York

Konzernchefin Mary Barra hat General Motors seit ihrem Amtsantritt im Januar 2014 eine neue Lackierung verpasst – doch unter der Motorhaube des Detroiter Autoriesen ruckelt es gewaltig. Denn die zwei Zylinder, auf denen die Wachstumsstrategie der Vorstandsvorsitzenden laufen soll, drohen gerade auszusetzen: Sowohl im Geschäft mit Elektroautos als auch in Bezug auf autonomes Fahren ringt GM mit schwerwiegenden Problemen.

Die aus Michigan stammende Barra, deren Vater 40 Jahre lang als Gießereimechaniker für den Detroiter Konzern arbeitete und die dort selbst ihr gesamtes Berufsleben verbracht hat, schrumpft den Autobauer seit Jahren zurecht. Der Abschied aus wenig profitablen Überseemärkten – zum Beispiel durch den Verkauf des Europa-Geschäfts an die heutige Stellantis im Jahr 2017 – sowie die deutliche Kürzung der Belegschaft sollen Mittel für Zukunftsinvestitionen frei machen.

Hybride übersprungen

Vor etwa sieben Jahren begann Barra damit, eine vollständige Umstellung der Produktpalette auf Elektromodelle als Vision auszurufen. Eine Phase, in der GM Kunden über Hybride behutsam an die Stromer heranführen würde, wollte die gelernte Elektroingenieurin entgegen des Rats von Autohändlern und Analysten weitgehend überspringen. Insgesamt kündigte Barra für die Jahre 2020 bis 2025 Investitionen von 35 Mrd. Dollar in die Entwicklung von Elektrofahrzeugen an.

Investoren setzten große Hoffnungen in die 2020 vorgestellte Modellarchitektur Ultium, die das Layout für alle batteriebetriebenen Modelle des Konzerns bildet. Zu diesem Zeitpunkt floss bereits der Großteil der für neue Modelle bereitgestellten Mittel in E-Autos, obwohl diese weniger als 2% des Umsatzes generierten.

Gehäufte Fehlschläge

Doch bei den Elektro-Bemühungen von General Motors häuften sich die Fehlschläge. Anlegern ist insbesondere ein Rückruf des Chevrolet Bolt aus dem Jahr 2021 in düsterer Erinnerung, der Detroiter Konzern musste damals alle 142.000 Einheiten des Kleinwagens wegen eines Batteriedefekts einziehen. Die resultierenden Kosten lasteten noch bis ins abgelaufene Geschäftsjahr, zu dem GM am Dienstag Zahlen vorlegt, auf den Finanzen. Ursprünglich wollte der US-Autoriese die Produktion des Bolt bis Ende 2023 einstellen, nach einer überraschend kräftigen Entwicklung der Verkaufszahlen läuft die Fertigung aber weiter.

Allerdings kommt es auch bei neueren Elektro-Modellen wie dem Chevrolet Blazer zu zunehmenden Problemen. Bei wiederum anderen batteriebetriebenen Fahrzeuge wie dem Truck GMC Hummer oder der SUV Cadillac Lyriq verzögerten sich die Marktstarts und ein Hochfahren der Produktion aufgrund von Problemen in der Fertigung von Batteriemodulen und anderen technischen Problemen. Der Chevrolet Equinox soll erst im Frühjahr und damit um Monate verspätet in den Handel gehen, da es noch Verbesserungen an der Software bedarf.

Durchbruch bleibt aus

Der Vorsprung, den Barra durch ihren frühen Elektro-Fokus gegenüber der Konkurrenz herausgefahren hatte, ist inzwischen dahingeschmolzen. Ein ursprünglich angesetztes Produktionsziel von 400.000 Elektroautos über einen rund zweijährigen Zeitraum bis Ende 2023 musste die Konzernchefin im Oktober 2022 zurücknehmen. Der für das vergangene Jahr angekündigte "Durchbruch" bei batteriebetriebenen Vehikeln blieb aus.

Denn auch das Kundeninteresse in den USA lässt nach, Konkurrenten wie Ford und Tesla sind gezwungen, die Nachfrage durch hohe Rabatte anzukurbeln. Der von Elon Musk geführte Elektro-Pionier enttäuschte mit seiner Umsatzentwicklung im abgelaufenen Quartal die Erwartungen der Wall Street und musste einräumen, dass die Auslieferungen 2024 deutlich langsamer anziehen werden – ein düsteres Signal für die gesamte Branche. Auch Barra ist nun gezwungen, eine Ausweitung der Produktpalette auf die von ihr ungeliebten, bei Kunden von Wettbewerbern wie Ford aber deutlich populäreren Hybride zu erwägen.

Die erste Frau an der Spitze eines der großen drei US-Autobauer – neben GM zählen dazu Ford und die heute als Stellantis North America firmierende Chrysler Corporation – gilt als flexibel und lösungsorientiert. Als Leiterin der Personalabteilung schaffte sie einst einen zehnseitigen Dresscode ab. Während sie die Produktentwicklung führte, verkürzte sie die Dienstwege zu ihren Ingenieuren deutlich.

Attacken von Donald Trump

In ihrer Zeit als CEO hat sie den Konzern indes durch zwei Kampagnen aktivistischer Investoren sowie zwei große Streiks gesteuert. Im Jahr 2019 musste sie Attacken des damaligen US-Präsidenten Donald Trump aushalten, der sich an GM-Plänen für Fabrikschließungen abarbeitete. Die aktuelle Phase gilt aber als möglicherweise herausforderndste in der Amtszeit der 62-Jährigen.

Denn auch mit der Robotaxi-Tochter Cruise ist GM von der Straße abgekommen. Mehr als 8 Mrd. Dollar hat der Konzern in das Start-up gesteckt, das sich nun zu rund 80% in seinem Besitz befindet. Barra wollte GM durch die Investitionen einen Vorsprung beim autonomen Fahren verschaffen. Im Oktober verlor Cruise nach schweren Zusammenstößen jedoch die Erlaubnis zum fahrerlosen Betrieb in Kalifornien, inzwischen untersuchen US-Bundesermittler einen Unfall, bei dem eine Fußgängerin zu Tode kam. Barra versuchte die Nerven der Investoren angesichts der mannigfaltigen Probleme bei der Tochtergesellschaft Ende November mit einem 10 Mrd. Dollar schweren beschleunigten Aktienrückkaufprogramm zu beruhigen. Es gelang vorübergehend – Barra muss unterdessen weiter am offenen Motor reparieren.

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