Wetherspoon-Gründer geadelt

Ritterschlag erhitzt Gemüter

Der Ritterschlag für den Brexit-Befürworter Tim Martin hat die üblichen Reflexe ausgelöst. Doch der Chairman der Pubkette JD Wetherspoon hat viel für das Gastgewerbe getan.

Ritterschlag erhitzt Gemüter

Ritterschlag erhitzt Gemüter

Von Andreas Hippin, London

Die in der Debatte um den EU-Austritt entstandene Polarisierung der britischen Gesellschaft hat sich nicht wesentlich abgeschwächt. Das zeigen die Reaktionen darauf, dass Tim Martin (68), der Gründer der börsennotierten Pubkette JD Wetherspoon, für seine Verdienste um Kultur und Gastgewerbe den Ritterschlag erhalten hat. Der lautstarke Brexit-Befürworter zählte zu den Großspendern der Tories und der von Boris Johnson und Michael Gove geführten „Vote Leave“-Kampagne. Er sei „entzückt“, sagte der erzkonservative Politiker Jacob Rees-Mogg. Nigel Farage nannte die Auszeichnung „wohlverdient“.

Auszeichnung für Austrittsbefürworter

Prompt wurde in den Sozialen Medien die Frage aufgeworfen, ob Sir Tim für seine Unterstützung des EU-Austritts mit dem Titel bedacht wurde. Nils Pratley, Finanzredakteur beim linksliberalen „Guardian“, empfahl seiner Leserschaft, nicht darauf einzusteigen. Martin habe die Branche vorangebracht und sei ein Kandidat, der nach den gängigen Kriterien einen Titel verdiene, wenn man Topmanager nicht gänzlich von solchen Ehrungen ausschließen wolle.

Opposition wittert Belohnung von Parteispendern

Wendy Chamberlain, die Führerin der liberaldemokratischen Unterhausfraktion, und Tom Brake, ein ehemaliger Unterhausabgeordneter der Liberaldemokraten, der nun an der Spitze der Kampagne Unlock Democracy steht, warfen der Regierung von Premierminister Rishi Sunak vor, Parteispender wie Martin und Tim Griffin, den Gründer des Taxiunternehmens Addison Lee, zu belohnen. Martin gab sich von der Auszeichnung überrascht. Die Nachricht komme für ihn „aus heiterem Himmel“. Mit so etwas habe er nie gerechnet.

Hemdsärmeliger Anwalt

Martin brachte die Pubkette 1979 an den Start und fungiert seit 1983 als ihr Chairman. 1992 brachte er sie an die London Stock Exchange. Mittlerweile gehört sie dem FTSE 250 an. Benannt ist sie nach einem Lehrer, der ihm einst prophezeit hatte, es zu nichts zu bringen. Wenn man ihn mit seiner weißen Mähne und seinem hemdsärmeligen Auftreten sieht, würde man es nicht glauben: Martin hat ursprünglich Jura studiert und könnte auch als Anwalt arbeiten.

Fan von Captain Beefheart

Hätte er sich nicht so vehement für den EU-Austritt eingesetzt, wäre er vermutlich einer der Lieblinge seiner Kritiker. Er hört die Musik von Captain Beefheart und fährt mit einem alten Volvo durchs Land. Das vorübergehend populäre Financial Engineering, unter dessen Folgen manche Wettbewerber heute noch ächzen, kam für ihn nicht in Frage. Er versucht immer noch, jedes der mehr als 800 Lokale einmal pro Jahr zu besuchen. Seine Mitarbeiter weisen im Schnitt eine Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren auf, was nicht auf große Unzufriedenheit mit ihren Arbeitsbedingungen hindeutet. Für die insgesamt niedrigen Löhne in der Branche kann man ihn schlecht verantwortlich machen.

Günstiges Bier

Zudem hat er aus Sicht von Christopher Snowdon, dem Head of Lifestyle Economics am Institute of Economic Affairs, mehr als jeder andere dafür getan, um die Folgen des rasanten Anstiegs der Lebenshaltungskosten für Pubbesucher abzumildern. Die Behauptung, Martin könne in seinen Lokalen Bier nur deshalb so günstig verkaufen, weil er es vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums günstiger von den Brauereien erhalte, verwies der Volkswirt im „Spectator“ ins Reich der urbanen Legenden. Martin könne mit den Produzenten hart verhandeln, weil er große Mengen an zahllose Kunden verkaufe. Ein „Spoons“ bietet Essen und Getränke billiger an als fast jeder andere Pub. Für viele wird ein Pubbesuch erst dadurch wieder erschwinglich.