Wirtschaftsjournalist

Hans Konradin Herdt ist tot

„Sie haben es vielleicht gar nicht so merken können“, hat der damalige Daimler-Chrysler-Vorstandschef Jürgen E. Schrempp vor gut 20 Jahren über Hans Konradin Herdt gesagt, „aber mit der Berichterstattung sind Sie für viele von uns zu einem ganz...

Hans Konradin Herdt ist tot

Von Detlef Fechtner, Frankfurt

„Sie haben es vielleicht gar nicht so merken können“, hat der damalige Daimler-Chrysler-Vorstandschef Jürgen E. Schrempp vor gut 20 Jahren über Hans Konradin Herdt gesagt, „aber mit der Berichterstattung sind Sie für viele von uns zu einem ganz wichtigen ‚Soundboard‘, wie man heute sagt, geworden. Nicht nur bei der öffentlichen Meinungsbildung, sondern auch als Korrektiv für unsere eigene Entscheidungsfindung.“

Diese Würdigung als „Resonanzboden“ spiegelt nicht allein die Wertschätzung wider, die der exzellente Wirtschaftsjournalist in den Chefetagen der deutschen Industrie genossen hat. Sie deutet auch an, dass es Herdt regelmäßig gelungen ist, Manager mit seinen bohrenden und scharfsinnigen Fragen ins Schwitzen zu bringen.

Der frühere Präsident des Verbands der Automobilindustrie, Prof. Bernd Gottschalk, verzichtete bei der Verleihung der Ehrenmedaille des VDA an Herdt in seiner Laudatio darauf, ihn in eine bestimmte Gruppe von Journalisten einzusortieren. Er sei vielmehr eine „Spezies sui generis“, eben ein ganz besonderer Vertreter seiner Gilde.

Dem wird jeder zustimmen, der Herdt jemals erlebt hat. Der gebürtige Mannheimer gab sich gar nicht erst die Mühe, seine Herkunft zu verbergen. Die starke dialektale Färbung einerseits, die feinsinnige und bildhafte Sprache andererseits verliehen seinen Wortmeldungen Einzigartigkeit: Man konnte ihm richtig gut zuhören.

Herdt wurde mit mehreren Journalistenpreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Ludwig-Erhard-Preis und mit dem Herbert-Quandt-Medienpreis. Johanna Quandt würdigte bei der Übergabe des Preises die „Interpretation im Detail“ und „eine Sprache, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig“ lasse.

Rache des Schicksals

Von Beginn seiner journalistischen Karriere an – als Mannheimer selbstverständlich beim „Morgen“ – galt sein besonderes Augenmerk der Unternehmensberichterstattung. 1969 wechselte er dann zur Börsen-Zeitung nach Frankfurt, blieb seinem Schwerpunktthema aber treu. Kaum eine bedeutende Firma, die in den sechziger, siebziger, achtziger und neunziger Jahren in Deutschland tätig war, über deren Zahlen sich Herdt nicht gebeugt und deren Strategie er nicht bewertet hat. Es sei eine Rache des Schicksals, schimpfte Herdt einmal, dass er, der in der Schule nur wenig mit Mathematik im Sinn gehabt hatte, sich sein ganzes Berufsleben lang mit Zahlen und Geschäftsberichten beschäftigen musste. Das tat er gleichwohl in einer Gründlichkeit, die den Finanzvorständen, die er anschließend dazu befragte, viel abverlangte – auch, weil er das Talent besaß, aktuelle Zahlen in strategische Zusammenhänge einzuordnen und damit Entwicklungen frühzeitig aufzuspüren.

Unmissverständlich und klar

1986 übernahm Herdt den Posten des Chefredakteurs der Börsen-Zeitung. 14 Jahre lang prägte er die Zeitung, wobei er den engen Kontakt zur Unternehmenswelt hielt und sich weiterhin aktiv als Autor und Kommentator am Blatt beteiligte. So war er sich nicht zu schade, die Protagonisten der Pressekonferenzen im Nachhinein noch einmal abzufangen, um an Stellen nachzuhaken, die sie bewusst oder unabsichtlich unbeantwortet gelassen hatten – diese Zusatzrunde müssen gemeinhin nur Agenturjournalisten machen.

In der Redaktion und im Verlag war Herdt wegen seiner klaren Ansagen geschätzt. Mit einer Portion Schalk im Nacken ausgestattet argumentierte der Chefredakteur in den Redaktionssitzungen zwar stets auch ein wenig verschmitzt, aber niemals missverständlich. Dabei war er durchaus bereit, den Kollegen – insbesondere den jungen – Raum zu lassen, um sich zu entfalten. Er forderte, aber er förderte zugleich.

Bei aller Leidenschaft für trockene Geschäftsberichte verfügte Herdt über eine große Portion Humor – und hatte durchaus sogar Spaß am Kalauer. Seine Begabung, komplizierte Sachverhalte in manchmal sehr simple und manchmal sehr fantasievolle Wortbilder zu übersetzen, machten seine Texte – und seine Vorträge – besonders lesens- und hörenswert. Man habe bei seinen Kolumnen das Gefühl, dass ihm das Schreiben so viel Vergnügen bereite „wie uns das Lesen“, erklärte einer seiner regelmäßigen Leser. Herdt sei „niemals neutral, aber immer objektiv“.

Niemals larmoyant

Lob und Respekt zollten ihm aber nicht allein seine Redaktionskollegen, seine Leser und diejenigen, über die er schrieb, sondern auch Journalisten anderer Blätter. So sagte der langjährige FAZ-Wirtschaftsjournalist Hans D. Barbier über Herdt anerkennend: „Wer seine Texte liest, der erkennt: Herdt hat eine Begabung, falsche Propheten anzugreifen, ohne aggressiv zu wirken, und es gehört zu seinem journalistischen Naturell, das wuchernde Sprießen ökonomischer Irrlehren zu beklagen, ohne selbst larmoyant zu werden.“

Als er im April 2000 die Rolle des Chefredakteurs der Börsen-Zeitung an Claus Döring abgab, um anschließend weiter als Kolumnist für die Zeitung tätig zu sein, versammelten sich zu seinem Abschied nicht nur der Bundesbankpräsident und seine beiden Vorgänger, sondern zahlreiche Bankvorstände und natürlich auch viele Chefs aus deutschen Industriekonzernen – „der gesamte Dax und der MDax ist heute hier vertreten“.

Hans K. Herdt ist am Donnerstag im Alter von 85 Jahren gestorben.

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