Führungswechsel

Hieronimus übernimmt bei L‘Oréal das Ruder von Agon

Die 1907 gegründete weltweite Nummer Eins der Kosmetikbranche bekommt einen neuen Chef. Den erwarten bei L‘Oréal eine Reihe von Herausforderungen, da die Krise den Kosmetikmarkt verändert.

Hieronimus übernimmt bei L‘Oréal das Ruder von Agon

Von Gesche Wüpper, Paris

Er erfasse den Zeitgeist und sei unglaublich wissend. Vor allem aber kenne er das Haus vom Keller bis hinauf in den Dachboden, lobt Barbara Lavernos ihren neuen Chef. Denn Nicolas Hieronimus, dem sie künftig als stellvertretende Generaldirektorin zur Seite stehen wird, ist ein reines L’Oréal-Produkt.

Der Kosmetikriese, dessen Ruder der 57-Jährige am 1. Mai offiziell von Jean-Paul Agon übernimmt, ist für Hieronimus das Unternehmen seines Lebens. Der hochgewachsene, jungenhaft wirkende Manager ist bereits seit 34 Jahren bei L’Oréal, wo er nach Abschluss der Wirtschaftshochschule Essec als Produktchef bei Garnier begann.

Nach Führungspositionen bei L’Oréal Paris und in Mexiko übernahm er erst die Leitung der Sparte professionelle Haarpflege, dann die für Luxuskosmetik. Spätestens als der Sohn eines Fernsehproduzenten und einer Luftfahrtingenieurin 2017 zur Nummer 2 aufstieg, zeichnete sich ab, dass er Agons Nachfolger werden dürfte.

Der 64-Jährige soll dem Verwaltungsrat aber weiter vorstehen. Nach demselben Schema ist die weltweite Nummer 1 der Kosmetikbranche bereits verfahren, als Agon 2006 Lindsay Owen-Jones zunächst als Generaldirektor ablöste und 2011 dann auch an der Spitze des Kontrollorgans.

Hieronimus muss nun nicht nur für Kontinuität sorgen, sondern auch dafür, dass sich der 1907 gegründete CAC-40-Konzern wandelt, sich der Epoche anpasst. „Unsere Stärke beruht auf der Stabilität unseres Aktionariats und der Fähigkeit der Gruppe, sich anzupassen und das zu erkennen, was beginnt“, sagt Hieronimus. Der begeisterte Rennradfahrer will wie seine Vorgänger erreichen, dass L’Oréal besser wächst als der gesamte Kosmetikmarkt. Dabei gibt es durchaus noch Potenzial, denn der Branchenführer kommt weltweit auf einen Marktanteil von 13%, in Asien sogar nur auf 11%.

Eine der Prioritäten von Hieronimus besteht deshalb darin, L’Oréals Stellung dort auszubauen, vor allem in China. Das digitale Umfeld dort ist komplexer und oft innovativer als das europäische. Gleichzeitig bieten die sich wandelnden Gewohnheiten chinesischer Konsumenten neue Chancen für L’Oréal. Entsprach es früher nicht ihren Gewohnheiten, Parfum zu benutzen, ändern sich die Dinge inzwischen. Während die Luxus- und Apothekenmarken L’Oréals in China weiter kräftig wachsen dürften, müssen die für den Massenmarkt bestimmten Produkte des Konzerns mit steigender Konkurrenz durch chinesische Marken rechnen.

Die Digitalisierung weiter voranzutreiben ist eine weitere Aufgabe, die den sechsten Unternehmenschef von L’Oréal seit Bestehen des Konzerns erwartet. In China macht der Kosmetikriese bereits mehr als die Hälfte seines Umsatzes über das Internet. Hieronimus hat sich nun das Ziel gesetzt, die Internetverkäufe des Gesamtkonzerns von derzeit 27% auf 50% zu steigern. Gleichzeitig will er das facettenreiche Modell L’Oréals weiter stärken und dafür sorgen, dass es für alle Verbraucher passende Produkte in allen Preiskategorien und Vertriebskanälen gibt.

Vor allem bei den Konsumgüter-Marken muss sich L’Oréal nun neu erfinden, denn die Sparte ist stark abhängig von Schminkprodukten, die seit Ausbruch der Pandemie und der damit einhergehenden Maskenpflicht weniger gefragt sind. Hieronimus muss auch den Bereich Naturprodukte weiter ausbauen. Der Kosmetikmarkt nach der Krise werde anders aussehen als der vor Ausbruch der Pandemie, ist er überzeugt. Wissenschaft und Technologie stünden wieder mehr im Mittelpunkt. Gesundheit, Umwelt und Transparenz hätten Priorität.

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