Marley-Spoon-Gründer Fabian Siegel

Im Schatten von Hellofresh

Bei Kochboxen denken Investoren zuerst an Hellofresh, inzwischen ein Dax-Kandidat. Auch der US-Konkurrent Blue Apron ist vielen noch ein Begriff. Beide Unternehmen gingen nämlich im Jahr 2017 im Abstand weniger Monate an die Börse. Daher wurden sie...

Im Schatten von Hellofresh

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Bei Kochboxen denken Investoren zuerst an Hellofresh, inzwischen ein Dax-Kandidat. Auch der US-Konkurrent Blue Apron ist vielen noch ein Begriff. Beide Unternehmen gingen nämlich im Jahr 2017 im Abstand weniger Monate an die Börse. Daher wurden sie oft miteinander verglichen, was inzwischen infolge des geschäftlichen Siechtums von Blue Apron nachlässt. Weniger bekannt ist die Dritte im Bunde: Marley Spoon. Wie Hellofresh ist dieses Unternehmen in Berlin zu Hause. Beide stammen aus dem Stall des Start-up-Finanzierers Rocket Internet. Marley Spoon ist ebenfalls an der Börse präsent, nur nicht in Deutschland oder den USA, sondern in Australien.

So wundert es nicht, dass Mitgründer und CEO Fabian Siegel ein wenig im Schatten anderer Berliner Start-up-Größen wie Niklas Östberg vom Online-Essenslieferdienst Delivery Hero, Oliver Samwer von Rocket Internet oder Dominik Richter von Hellofresh steht. Dabei hat er bereits etliche Firmen in Deutschland und den USA auf den Weg gebracht. Schon zu Studienzeiten zeigte der diplomierte Volkswirt Gründerelan mit einem Onlineauktionshaus namens Auctionet. Von März 2000 bis Ende 2007 setzte Siegel als Chief Technology Officer den Bezahldienst Clickandbuy auf die Schiene, der dann von der Deutschen Telekom übernommen wurde, aber 2016 den Betrieb einstellte. Auch das Finanz-Start-up Strateer hob Siegel als Mitgründer und CEO aus der Taufe, und als Co-CEO war er gut zwei Jahre maßgeblich in den Aufbau von Delivery Hero involviert, die im vergangenen Sommer in den Dax aufgestiegen ist. Als Partner von Global Founders Capital, die dem Umfeld von Rocket Internet und damit den Samwer-Brüdern zuzuordnen ist, kennt er auch die Investorenseite. Doch dieses Dasein reichte ihm nicht. Siegel will lieber etwas aufbauen.

Seit April 2014 hat sich der im Mai 1975 geborene Manager Marley Spoon verschrieben. Sein CEO-Vertrag wurde gerade bis Ende 2023 verlängert. Siegel gründete das Unternehmen zusammen mit Kumpel Till Neatby. Mit einer Beteiligung von 9,3% zählt er zu den maßgeblichen Anteilseignern.

Gemessen an Größe und Börsenwert ist Hellofresh ihm allerdings enteilt, auch wenn Siegel in dem Zusammenhang gern darauf verweist, dass der Mitkonkurrent länger am Markt ist – Hellofresh wurde im November 2011 gegründet – und mehr Kapital aufgenommen hat. Dennoch bleiben riesige Unterschiede. So peilt Hellofresh für 2020 Erlöse von gut 3,7 Mrd. Euro an, bezogen auf die Mitte der Prognosespanne, während Marley Spoon im vergangenen Jahr 254 Mill. Euro Umsatz erreichte.

Gemeinsam ist beiden Unternehmen, dass sie massiv von der Corona-Pandemie profitieren. Hellofresh und Marley Spoon haben ihren Umsatz im vergangenen Jahr jeweils etwa verdoppelt. Restaurantschließungen, Kontaktbeschränkungen und das vermehrte Homeoffice führen dazu, dass immer mehr Menschen Kochboxen bestellen, die ihnen den Einkauf im Supermarkt ersparen. Die Pakete enthalten die Zutaten, die für ein Gericht benötigt werden, und eine Anleitung für die Zubereitung. Kochen muss der Kunde selbst.

Konkurrent Supermarkt

Bei Marley Spoon schoss die Zahl der Abnehmer vom ersten auf das zweite Quartal 2020 rasant von 142000 auf 206000 in die Höhe. Ende 2020 zählte das Unternehmen, das mit seiner Zweitmarke Dinnerly das preisgünstige Segment adressiert, 233000 aktive Abonnenten. Fortschritte macht Siegel auch beim Ertrag. Seit drei Quartalen bewegt sich das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) im schwarzen Bereich. Im vierten Quartal waren es 1,2 Mill. Euro, was allerdings noch weniger als 2% des Umsatzes entspricht.

Marley Spoon ist in sechs europäischen Staaten tätig – Deutschland, Österreich, Niederlande, Belgien, Dänemark und Schweden – sowie in Australien und den USA. In all diesen Ländern ist auch Hellofresh unterwegs. Dennoch sieht Siegel den Nachbarn nicht als primären Wettbewerber. Schließlich ist der riesige Lebensmittelmarkt groß genug für beide Firmen. Hauptkonkurrent ist in seinen Augen der Supermarkt. In den USA zählt Siegel die Fernsehköchin und Unternehmerin Martha Stewart zu seinen Partnern. Sie ist dort sogar Teil des Markennamens.

An die Börse brachte Siegel sein Unternehmen vor zweieinhalb Jahren. Die Wahl des fernen Australien als Börsenplatz begründet er mit der Attraktivität des dortigen E-Commerce-Markts und der damals fehlenden Größe des Unternehmens für die Frankfurter Börse. Kehrseite ist freilich die geringe Bekanntheit hierzulande. Die Kursentwicklung war lange eher lausig: Die zu 1,42 austr. Dollar emittierte Aktie stürzte bis etwa 0,20 Dollar ab. Erst die Coro­na-Pandemie bescherte dem Wertpapier ein beeindruckendes Comeback, das zwischenzeitlich sogar deutlich über das aktuelle Kursniveau von 3 Dollar hinausführte. An der Börse bringt Siegels Unternehmen derzeit eine halbe Milliarde Euro auf die Waage.