Japans Premier Ishiba tritt nun doch zurück
Japans Premier Ishiba tritt nun doch zurück
mf Tokio
Nach der verlorenen Oberhauswahl im Juli hatte sich Japans Regierungschef Shigeru Ishiba wochenlang gegen einen Rücktritt gesträubt. Nun warf der 68-Jährige noch rechtzeitig das Handtuch, bevor seine Liberaldemokratische Partei über eine außerordentliche Neuwahl ihres Vorsitzenden abstimmen wollte. Daraus wäre ein Misstrauensvotum gegen ihn entstanden. Er wolle eine Spaltung seiner Partei vermeiden, begründete Ishiba seine Entscheidung. Der Finanzmarkt reagierte am Montag mit steigenden Aktienkursen und einem schwächeren Yen.
Chef einer Minderheitsregierung
Die LDP hatte Ishiba vor knapp einem Jahr recht unerwartet zum neuen Parteichef gekürt, nachdem Fumio Kishida wegen eines Spendenskandals zurückgetreten war. Danach beging Ishiba jedoch den Fehler, das Parlament vorzeitig aufzulösen, obwohl viele Wechselwähler mit der Aufarbeitung des Skandals unzufrieden waren. Prompt verlor die LDP bei der Neuwahl des Unterhauses im Oktober erstmals seit 2009 eine eigene Mehrheit.
Zwar gelang es Ishiba, zusammen mit dem langjährigen Partner Komeito mit wechselnden Mehrheiten relativ stabil zu regieren. Aber bei der Oberhauswahl im Juli verfehlte die LDP ihr Wahlziel, die Mehrheit in der zweiten Parlamentskammer zu behalten. Diesmal wandten sich viele Wähler wegen der Reallohnverluste durch die Rückkehr der Inflation sowie der starken Zunahme von ausländischen Arbeitskräften und Touristen von der LDP ab.
Nachfolger eine „lahme Ente“?
Ishiba wird noch solange im Amt bleiben, bis seine Partei einen neuen Vorsitzenden und damit einen neuen Premier kürt. Dieser Prozess könnte sich bis Oktober hinziehen. Als Favoriten für Ishibas Nachfolge gelten Agrarminister Shinjiro Koizumi, der erst 44-jährige Sohn eines früheren Premiers und die 64-jährige Sanae Takaichi. Sie will die expansive Abenomics-Wirtschaftspolitik des langjährigen Premiers Shinzo Abe wiederaufnehmen. Der deutsche Japan-Analyst Jesper Koll rechnet wegen der fehlenden Parlamentsmehrheit nicht mit einem substanziellen politischen Kurswechsel. „Der neue LDP-Chef muss zu Kompromissen bereit sein und könnte von Anfang an eine lahme Ente sein“, schrieb Koll.