PERSONEN

Jürgen Dormann 80

ds - Zerstörer und Retter: Jürgen Dormann haften beide Etiketten an. Von den einen als genialer Industrieführer verehrt, der die Schweizer ABB vorm Untergang rettete, gilt er anderen als Prototyp des eiskalten Managers, der handstreichartig und...

Jürgen Dormann 80

ds – Zerstörer und Retter: Jürgen Dormann haften beide Etiketten an. Von den einen als genialer Industrieführer verehrt, der die Schweizer ABB vorm Untergang rettete, gilt er anderen als Prototyp des eiskalten Managers, der handstreichartig und scheinbar emotionslos den traditionsreichen Hoechst-Konzern zerschlug.Seine Karriere startete Dormann nach dem Heidelberger Studium mit Abschluss Diplom-Volkswirt 1963 als Management Trainee bei der einstigen Hoechst AG in Frankfurt. Dort machte er rasch Karriere und folgte 1994 als erster Nichtchemiker und Nichtprofessor auf Wolfgang Hilger als Vorsitzender des Vorstandes. Aus dem Hoechster Sammelsurium – von Wursthüllen über Chemie, Kunststoffe, Fasern, Pharma bis hin zum Anlagenbau – formte er gegen den Widerstand der Traditionalisten im Konzern einen auf Pharma und Agrarchemie fokussierten Konzern, der 1999 mit dem französischen Wettbewerber Rhône-Poulenc zum neuen Aventis-Konzern zusammenging. Die Zerschlagung von Hoechst machte Dormann in Deutschland in weiten Kreisen zum bestgehassten Manager, obschon die wirtschaftliche Lage der früheren “Rotfabrik” zum raschen und entschlossenen Handeln zwang. Dormann sprach vom notwendigen Entfrosten und Entrosten. Gerade erst wurde in dem Buch “Goodbye Hoechst – Von Könnern, Spielern und Scharlatanen” von Karl-Gerhard Seifert, der Hoechst-Vorstand von 1988 bis 1997 war, das Ergebnis von Dormanns Wirken wieder einmal heftig kritisiert. Hoechst war für viele Beschäftigte eine emotionale Heimat, was im Spruch “Rotfabrik, all mei Glick” zum Ausdruck kam.Auf die Frage, ober er immer alles richtig gemacht habe bei der Umwandlung von Hoechst, sagte Dormann einmal rückblickend: “Mein größter Fehler bei der Umgestaltung dieses Konzerns war meine Geduld. Ich war viel zu geduldig. Wenn man eine Entscheidung getroffen hat, muss man klar und schnell handeln. Das ist sozialer als alles soziale Gerede.”Gewiss nicht in seiner Planung hatte es Dormann, dass nur wenige Jahre nach der Fusion die gerade einmal halb so große Sanofi-Synthelabo Aventis schluckte und die Idee des sorgsam austarierten deutsch-französischen Life-Sciences-Konzerns mit Sitz in der Elsass-Metropole Straßburg beerdigte. Dormann, der bei Aventis zunächst als CEO und später als Chairman fungierte, berappelte sich schnell und trat im Herbst 2002 als neuer Chef beim schwer angeschlagenen Schweizer Elektrotechnikkonzern ABB an, dessen Verwaltungsrat er zuvor bereits geführt hatte. Mit ruhiger Hand in der Unternehmensführung und mit intensiver E-Mail-Kommunikation in die Belegschaft hinein (Freitagsbriefe mit Feedback-Funktion) schaffte Dormann die kaum für möglich erachtete Rettung des Siemens-Rivalen. In der Eidgenossenschaft hat der Deutsche deshalb auch heute noch einen Ruf wie Donnerhall.In Deutschland ist die Zerschlagung von Hoechst, die untrennbar mit Dormanns Namen verknüpft ist, mindestens noch ebenso präsent. Bei einer Bayer-Betriebsversammlung im Dezember 2018 berichtet Bayer-Vorstandschef Werner Baumann angeblich von einer E-Mail, die einige Pensionäre an ihn gerichtet hatten. Die früheren Mitarbeiter fürchteten, dass Bayer nun das gleiche Schicksal erleide wie einst Hoechst. Der Bayer-Boss versuchte angeblich, die Sorge zu zerstreuen mit dem Hinweis, dass Dormann sich bei der Zerschlagung von Hoechst nur den Aktionären verpflichtet gesehen habe. Was Dormann dazu gesagt hätte, kann man sich gut denken. Der ehemalige Topmanager, der ehrfurchtsvoll auch “Magic Dormann” genannt wurde, vollendet am 12. Januar sein 80. Lebensjahr.