Bessere Förderlandschaft

Industrie will Risikokapital für Schlüsseltechnologien beflügeln

Mehr Wachstumskapital soll in Deutschland Industriegründungen beflügeln. Der Industrieverband BDI fordert die Bundesregierung auf, neue Instrumente zu etablieren. Sie sollen besser auf Schlüsseltechnologien zugeschnitten sein.

Industrie will Risikokapital für Schlüsseltechnologien beflügeln

BDI will mehr Risikokapital für Schlüsseltechnologien

„Deutschland braucht einen Wachstums- und Investitionsfonds“ – Geduldiges Kapital für längere Finanzierungsphasen in der Industrie nötig

Von Angela Wefers, Berlin

Mehr Wachstumskapital soll in Deutschland Industriegründungen beflügeln. Der Industrieverband BDI fordert die Bundesregierung auf, neue Instrumente zu etablieren. Sie sollen besser auf Schlüsseltechnologien zugeschnitten sein.

Der Industrieverband BDI ruft die Bundesregierung dazu auf, mehr Risikokapital in Kernbereichen der Industrie zu mobilisieren. Deutschland benötige einen Wachstums- und Investitionsfonds für diese Schlüsseltechnologien, schreibt der Bundesverband der Deutschen Industrie in einem Positionspapier zur Weiterentwicklung der Wachstumsfinanzierung. Der neue Fonds soll den sogenannten Zukunftsfonds des Bundes ergänzen. Darüber hinaus hat der BDI weitere Ideen, wie mehr frisches Kapital in Wachstumsunternehmen fließen kann. Das Positionspapier liegt der Börsen-Zeitung vor.

Schwäche bei Transformation

Der BDI konstatiert Schwächen bei Unternehmensgründungen und der Wachstumsfinanzierung von Schlüsseltechnologien und der industriellen Transformation. Dies gelte gerade für spätere Wachstumsphasen. „Um die Herausforderungen der Transformation bewältigen zu können, benötigen wir gerade in Deutschland, mit einem hohen Anteil industrieller Wertschöpfung, viel mehr geduldiges Kapital“, sagt BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner der Börsen-Zeitung. „Die Instrumente des Zukunftsfonds Deutschland müssen so gestaltet werden, dass der größere Kapitalbedarf von industriellen Gründern und Deep-Tech-Unternehmen berücksichtigt werden kann.“

In Schlüsselindustrien sind dem BDI zufolge höhere Finanzierungsvolumina und längere Investitionsphasen nötig, bevor Unternehmen profitabel werden. „Das Kapital ist viel weniger effizient“, heißt es im Positionspapier. In industriellen Sektoren dauert es von der Pilotphase bis zum Markteintritt länger als bei Start-ups aus anderen Sektoren. Deshalb liegen die Investitionsschwerpunkte weltweit dort: bei Software, Konsumgütern und Dienstleistungen. In Deutschland waren es 2021 nach einer Studie der Beratungsgesellschaft EY vor allem Fintechs, E-Commerce, Mobilität und Software. In Hardware sowie Energie- und Klimatechnologien wurde dagegen weniger investiert.

Chancen im Deep-Tech-Sektor

Besonders der Deep-Tech-Bereich biete aber enorme Chancen für Wachstum und Innovation in Europa und Deutschland, betont der BDI. Es geht um die Sektoren künstliche Intelligenz (KI), Robotik, Mobilität, Industrie 4.0, Energie, industrielle Biotech, Medizintechnik, Diagnostik, Quantencomputer, Mikroelektronik oder Software. Zugleich sei Deep Tech der widerstandsfähigste Risikokapitalsektor. 2023 wurden dort in Europa – wie im Vorjahr – rund 15 Mrd. Dollar investiert. Die gesamte europäische Risikokapitalfinanzierung ging dagegen um 38% zurück.

Für eine bessere Förderung des Segments macht der BDI konkrete Vorschläge. Deutschland soll einen Wachstums- und Innovationsfonds für Schlüsseltechnologien über die bestehenden Finanzierungsinstrumente schaffen. Vor allem disruptive Start-ups im industriellen und innovativen Technologiesegment sollen gestärkt werden. Zugleich soll die Co-Finanzierung mit privaten Investoren über das bisherige Maß ausgeweitet werden. Beim Deep Tech & Climate Fonds (DTCF) gilt ein Verhältnis von 30 zu 70 bezogen auf privates zu öffentlichem Kapital. In Ausnahmefällen solle es Zuwendungen oder gar eine 100-prozentige öffentliche Co-Finanzierung geben können.

Bündel von Instrumenten

Den Zukunftsfonds hatte die alte Bundesregierung noch 2021 mit 10 Mrd. Euro aufgelegt. Der Begriff steht für mehre Instrumente, die von verschiedenen öffentlichen Geldgebern getragen werden. Dazu gehören die KfW, die KfW Capital, der High-Tech Gründerfonds (HTFG), der Deep Tech & Climate Fonds (DTCF) und der European Investment Fund (EIF). Zentral für die Schlüsseltechnologien ist der DTCF, dem 1 Mrd. Euro zur Verfügung stehen. Investiert wird in Unternehmensbeteiligungen von 1 bis 30 Mill. Euro.

Verbessert werden müssen dem BDI zufolge auch die Ausstiegsmöglichkeiten für Investoren. Für diesen besseren Exit solle die Aktienanalyse für Schlüsseltechnologien belebt werden. So könnten Erfolgschancen besser bewertet werden. Die herkömmlichen Verfahren hierzulande funktionierten nur begrenzt und führten zu unattraktiv geringen Bewertungen. Zudem solle der Kreis der potenziellen Investoren erweitert werden. „Wachstumskapital aus Pensionsfonds, Versicherungen, Stiftungen und Family Offices sollte eine wichtige Rolle bei der gesamten Finanzierung von Gründungen spielen“, schreibt der BDI. Konkret könne die Regulierung die negative Korrelation stärker anrechnen, um die höheren Risiken bei Investments in innovative Start-ups zu verringern. Hohe Eigenkapitalunterlegung drückt die Rendite. Auch öffentlich-rechtliche Institutionen sollten bis zu 10% in Risikokapital anlegen können.

Flankierende Steuererleichterung

Der BDI dringt überdies darauf, die steuerliche Forschungsförderung auszuweiten. Finanzierungskosten und das Risiko von F&E-Aktivitäten würde dadurch sinken. Gerade bei technologieorientierten Gründungen könne damit eine geringere Kapitaleffizienz zielgenau kompensiert werden. Auch ein Invest-Zuschuss könnte Erstinvestitionen in VC- und Dachfonds anreizen.

Generell wünscht sich der BDI eine konsistente Förderlandschaft. Viele der Strategien und Programme seien über die Ministerien hinweg nicht abgestimmt. Digital-, Zukunfts- und Start-up-Strategie sowie der Koalitionsvertrag stützen sich auf „eine Vielzahl an Technologien unterschiedlicher Entwicklungsstufen, die sich teilweise widersprechen und/oder nicht strategisch in die deutsche Innovationslandschaft integriert sind“.

Unverändert gilt, dass die Lücke bei Venture Capital zu den USA immer noch groß ist. Dem Bundesverband Beteiligungskapital (BVK) zufolge hätten in Deutschland seit 2018 jährlich 11,4 Mrd. Euro investiert werden müssen, um ein ähnliches VC-Niveau wie jenseits des Atlantiks zu erreichen. Dies entspreche einer jährlichen Wachstumsrate von 19,3%.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.