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Krauss-Maffei-Chef legt seine Wunschliste vor

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 1.6.2016 Gut sechs Monate nach der mühsam vollzogenen ersten grenzübergreifenden Fusion zweier europäischer Panzerhersteller redet der Chef von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) öffentlich von seinen...

Krauss-Maffei-Chef legt seine Wunschliste vor

Von Stefan Kroneck, MünchenGut sechs Monate nach der mühsam vollzogenen ersten grenzübergreifenden Fusion zweier europäischer Panzerhersteller redet der Chef von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) öffentlich von seinen Vorstellungen über die Zukunft der Branche. Dass Frank Haun in seiner Rolle als Vorsitzender der Geschäftsführung der familiendominierten Rüstungsfirma aus München kein Blatt vor den Mund nimmt, liegt vor allem daran, dass sich im Wehrtechniksektor Westeuropas jahrzehntelang kaum etwas bewegt hat.Der Zusammenschluss mit dem staatlichen französischen Wettbewerber Nexter unter einem gemeinsamen Holdingdach sollte aus seiner Sicht der Anfang sein für ein künftig größeres Gebilde, wie er in München vor Journalisten signalisierte. “Wir haben den Stein ins Wasser geworfen. Wir werden nicht nur deutsch-französisch bleiben”, sagte der 57 Jahre alte Maschinenbauingenieur. LobbyarbeitDamit wirbt er offen für weitere Partner, die sich der neuen Industrieholding mit Sitz in Amsterdam anschließen sollten. KMW/Nexter umfasst derzeit gut 6 900 Beschäftigte. Namen nannte Haun von sich aus nicht, allerdings ist aus seiner Sicht die Tür für Rheinmetall nicht zugeschlagen, wie er auf Nachfrage sagte. Blickt man darüber hinaus, kämen für ein solches Vorhaben vor allem Länder wie Großbritannien, Italien und Schweden in Frage. “Mein Traum ist, etwas Europäisches aufzustellen.” Sein Kernargument: Die europäischen Staaten sollten ihre Waffentechnik konzentrieren, statt mit ihrem “eigenen Geraffel” herumzufahren. Ein vereinheitlichtes Kriegsgerät und Ersatzteillager würden Steuergelder sparen. Derzeit herrsche diesbezüglich eine “Verschwendung von Steuergeldern”, beklagte der aus Marburg (Hessen) stammende Manager, der mit solchen Aussagen auch Lobbyarbeit betreibt.Wie die Vergangenheit lehrte, ist es aber ein langer, holpriger Weg, bis Hauns Wunsch in Erfüllung gehen könnte. Die Politik kann vieles ausbremsen oder gar verhindern. “Das ist kein schnelldrehendes Geschäft”, räumte der CEO mit Blick auf die Rüstungsindustrie ein. Deshalb macht er sich auch über den Zeithorizont bei KMW/Nexter keine Illusionen. Er wies auf die Verträge hin. Diese besagen, dass sich die nächsten fünf Jahre lang keiner der Gesellschafter bewegen dürfte. Beide Konzerne arbeiten in einer Holding niederländischen Rechts, die je zur Hälfte dem französischen Staat und der KMW-Eigentümerfamilie Bode-Wegmann gehört. Der Aufsichtsrat ist paritätisch mit Deutschen und Franzosen besetzt.In dieser Gewöhnungsphase soll aber kein Stillstand herrschen. Im Gegenteil: Der KMW-Chef hofft, zusammen mit dem neuen Nexter-CEO Stéphane Meyer Projekte anzuschieben. Haun hat dabei einen neuen Kampfpanzer im Visier. Man stehe dabei am Anfang. Die Entwicklung könne zehn Jahre dauern. KMW, die den Panzer Leopard 2 fertigt, sucht nach einem Nachfolgemodell. Nexter blieb derweil der Erfolg mit dem Modell Leclerc im Exportgeschäft verwehrt. Das Kettenfahrzeug erwies sich für Paris als Flop.Doch Haun fehlt es noch an verlässlichen Rahmenbedingungen, unter denen es sich gut planen lässt. “Ich möchte von Paris und Berlin wissen, wie man mit gemeinsamen Projekten umgeht.” Der KMW-Chef zielt dabei auf das Thema Exportregulierung ab. Während die französische Regierung relativ großzügig damit umgeht, handhabt die Bundesregierung dies sehr restriktiv. In zwei bis drei Jahren benötige KMW/Nexter eine Richtungsweisung, forderte Haun. Derweil kündigte der Botschafter Saudi-Arabiens an, auf Leopard-Panzer zu verzichten. Die Debatte über Rüstungsexporte werde in Deutschland für innenpolitische Zwecke missbraucht, sagte Awwad Al-Awwad im Berliner “Tagesspiegel”. Solche Warnungen wichtiger Abnehmer liefern Haun Argumente gegenüber der Politik, rasch zu handeln. Doch der KMW-Chef ist Realist genug, um zu ahnen, dass sich dieses Thema noch hinschleppen wird.Der hochgewachsene Manager führt seit 13 Jahren die Geschäfte von KMU, seit 2006 als Vorsitzender und gehört damit zum “alten Eisen”, wie er über sich selbst sagt. Da hat man schon einiges mitgemacht. Verfahren eingestelltEin Ermittlungsverfahren gegen ihn stellte die Münchner Staatsanwaltschaft im August 2015 wegen mangelnden Tatverdachts ein. Die Fahnder gingen der Vermutung nach, er soll geholfen haben, Bestechungsgelder als Betriebsausgaben abzusetzen, was auf Steuerhinterziehung hinausliefe. Dies kam just zu der Zeit an die Öffentlichkeit, als sich die Verhandlungen mit Nexter im Endstadium befanden.Trotz vieler Hürden in seinem Geschäft neigt Haun nicht zur Schwarzmalerei. Für KMW/Nexter rechnet er im laufenden Jahr mit einem Umsatz von “signifikant” über 2 Mrd. Euro nach 2,1 Mrd. Euro 2015. Schlecht laufen die Geschäfte nicht. Rückenwind bekommt der Konzern dabei ausgerechnet von der Bundeswehr. Nach jahrelangen Budgetkürzungen gibt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wieder mehr Geld für die Verteidigung aus.