Wirtschaftsforum Aix-en-Provence

Lorenzi empfängt Wirtschaftselite in Aix

Ökonom Jean-Hervé Lorenzi empfängt beim Wirtschaftstreffen in Aix-en-Provence jedes Jahr vor der Sommerpause CAC 40-Chefs und Spitzenpolitiker.

Lorenzi empfängt Wirtschaftselite in Aix

Lorenzi empfängt Wirtschaftselite in Aix

wü Paris
Von Gesche Wüpper, Paris

Er gilt als hartnäckig und enthusiastisch. Er interessiere sich ohne Vorbehalte für alle Themen und sei ständig in Bewegung, sagte der mit ihm befreundete Wirtschaftswissenschaftler Christian de Boissieu einmal über ihn. Der Begeisterung und Offenheit Jean-Hervé Lorenzis ist es auch zu verdanken, dass das von ihm präsidierte Wirtschaftstreffen Les Rencontres Economiques d'Aix-en-Provence inzwischen als französisches Pendant des Weltwirtschaftsforums von Davos gilt.

CAC 40-Chefs, Nobelpreisträger und Spitzenpolitiker geben sich dort seit 2001 jedes Jahr kurz vor Beginn der Sommerpause ein Stelldichein. Die Atmosphäre ist locker und entspannt, die Konferenzen in der sommerlichen Hitze oft überfüllt. Mehr als 400 Redner aus 50 Ländern erwartet Lorenzi dieses Mal Ende der Woche, darunter unter anderem Axa-Chef Thomas Buberl, den früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi, Nestlé-Chef Laurent Freixe und Banque de France-Chef François Villeroy de Galhau. „Ohne Jean-Hervé würde Aix nicht existieren“, sagt de Boissieu.

Antworten für neue Herausforderungen

Das Wirtschaftsforum habe auch 35 Thinktanks aus allen Kontinenten eingeladen, berichtet Lorenzi der Börsen-Zeitung. Sie sollen helfen, Antworten zu finden, wie man die aktuellen Konflikte in einer inzwischen multipolar geprägten Welt überwinden kann. „Wir befinden uns in einer globalen Situation, die sehr komplex ist und wie es sie seit einem halben Jahrhundert nicht gegeben hat“, meint Lorenzi. Die Welt, wie wir sie gekannt hätten, gäbe es nicht mehr. 

Stattdessen erlebe sie vier große Umwälzungen: Den Bevölkerungsschock, Produktionssteigerungen, die noch nie so niedrig wie jetzt gewesen sein, eine Finanzialisierung, die den Anstieg der globalen Verschuldung auf ein nie gekanntes Niveau fördere und eine durch den Anstieg der Ungleichheiten des Vermögens geprägte Segmentierung der Bevölkerung. All das, so Lorenzi, erkläre größtenteils den Wachstumsrückgang. Dieser sei möglicherweise noch nicht beendet. Neben der Verschuldung und den Ungleichheiten gäbe es eine Reihe anderer Herausforderungen, urteilt der Ökonom. Etwa das Problem unqualifizierter Arbeitskräfte und die Haushaltspolitik der USA, die eine Schuldenkrise mit Konsequenzen für die restliche Welt riskiere.

Jahrgangsbeste

An Gesprächsstoff wird es in Aix nicht mangeln. Es gäbe niemand Besseren als Lorenzi, um Leute zu vereinen, auch wenn sie unterschiedliche Ansichten hätten, urteilte die Wirtschaftszeitung „Les Echos“ einmal. Den richtigen Kurs zu finden, sei er vom Segeln gewohnt. Es ist nur eine der vielen Beschäftigungen des 77-Jährigen. Denn Lorenzi ist eine Art Tausendsassa, der in seinem Leben schon die unterschiedlichsten Ämter und Funktionen innegehabt hat.  

Wie sein Vater hätte auch er eine Laufbahn beim französischen Militär einschlagen können, da er die Aufnahmeprüfung an der Marineschule Ecole Navale bestanden hat. Stattdessen entschied er sich jedoch, Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften in Grenoble zu studiere, wo er bei der Prüfung fürs Lehramt als der Beste seines Jahrgangs abschloss. Seine Doktorarbeit „Plan und Markt“ wurde ebenfalls als beste des Jahres ausgezeichnet. Mit nur 28 Jahren unterrichtete Lorenzi bereits an der Universität von Paris und der Ecole Normale Supérieur.

Berater von Wirtschaft und Politik

Schon bald war er auch als Berater gefragt, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik. So beriet er den Verwaltungsratsvorsitzenden der Werbegruppe Havas, den Industrieminister und Premierministerin Edith Cresson. Später war er erst bei der Compagnie financière Edmond de Rothschild im Vorstand, dann Vize-Präsident von UBS France.

Der umtriebige Ökonom gehört auch zu den Gründungsmitgliedern des Thinktanks Cercle des Economistes. Die Politik Jean-Claude Trichets, der einen starken Francs verteidigt habe, hätte sie 1992 dazu veranlasst, berichtet Lorenzi. „Wir wollten darüber debattieren und den Franzosen Alternativen aufweisen.“ Den Namen hätten sie dannn in Anspielung auf den Film „Der Club der toten Dichter“ gewählt, der in Frankreich unter dem Titel „Le Cercle des poètes disparu“ in den Kinos lief. 

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