Autozulieferer

Mehr Vertrauen, weniger Expertise

Leoni gewinnt das Vertrauen der Aktionäre, der Kurs steigt auf den höchsten Stand seit 2019. Mit dem Abschied von Finanzvorständin Ingrid Jägering verliert der Automobilzulieferer aber Expertise.

Mehr Vertrauen, weniger Expertise

mic

Die Aktionäre von Leoni konnten sich den gestrigen Handelstag rot anstreichen. Denn der Aktienkurs des Automobilzulieferers stieg auf den höchsten Xetra-Schlussstand seit dem Frühjahr 2019. Er schloss mit einem Plus von 2,4 % auf 16,47 Euro. Damit hat sich die Bewertung seit dem Tiefstand vor knapp einem Jahr fast vervierfacht, entsprechend fallen die Gewinne der neu hinzugekommenen Anteilseigner aus.

Allerdings hatten die Aktionäre am Donnerstag auch einen Verlust zu beklagen. Denn Ingrid Jägering (55) wird das Unternehmen Ende 2022 verlassen. Die Finanzvorständin, die ihr Amt am 1. August 2019 angetreten hatte und auch als Arbeitsdirektorin agiert, werde dem Unternehmen nach Ablauf ihres Vertrages nicht mehr zur Verfügung stehen, teilte Leoni mit. Sie trete eine Position als Finanzvorständin bei einem – nicht genannten – deutschen Familienunternehmen und Weltmarktführer an. Durch das frühzeitige Bekanntwerden des Abschieds seien optimale Voraussetzungen für einen geordneten Prozess zur Nachbesetzung geschaffen worden, lautete die Einschätzung von Leoni.

Jägering hinterlässt Lücke

Für Aufsichtsratschef Klaus Probst ist klar: Der Abschied hinterlässt eine Lücke. Der Manager betonte, Jägering habe mit dem Vorstandsvorsitzenden Aldo Kamper die richtigen Maßnahmen eingeleitet, um das Unternehmen stabil auf die Erfolgsspur zu führen: „Für ihr großes Engagement möchte ich mich ausdrücklich bedanken.“

Jägering, die ihre Karriere 1988 als Controllerin im Siemens-Konzern begonnen hatte und vor ihrem Wechsel zu Leoni seit April 2016 Finanzchefin und Arbeitsdirektorin von Osram Opto Semiconductors war, hatte dazu beigetragen, aus dem insolvenzgefährdeten Unternehmen einen Übernahmekandidaten zu machen. So verbesserte sich beispielsweise der Verschuldungsgrad innerhalb eines Jahres erheblich –von rund 22 auf etwa 4 (gemessen am Verhältnis der Nettoverschuldung zum Ebitda). Jägering hielt allerdings bei Vorlage der Halbjahresergebnisse nicht mit der Wahrheit hinter dem Berg: „Insgesamt bleibt unsere Bilanz aber strapaziert.“ Angesichts der positiven Entwicklung ziehe es sie nicht weg von Leoni, sondern hin zu etwas Neuem, lautet nun ihre Einschätzung.

Die Sanierung von Leoni mag fortgeschritten sein, doch die Bewertung spiegelt auch Übernahmefantasien. Denn die österreichische Beteiligungsgruppe Pierer Industrie hat das Engagement schrittweise ausgebaut und zuletzt einen Wert von 24,9% in den Blick genommen. Dies erhöht die Gestaltungsfreiheit des Managements naturgemäß nicht.

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