Mit dem Kiribaum an die Börse
Mit dem Kiribaum an die Börse
Von Antje Kullrich, Köln
Als Allin Gasparian und Peter Diessenbacher mit ihrem Start-up WeGrow 2009 mitten in der Finanzkrise den rheinischen Businessplan-Wettbewerb NUK gewannen, wussten sie schon, dass sie noch einen langen Weg vor sich hatten. „Wir haben 13 Jahre nur Aufbauarbeit geleistet“, sagt Gasparian. Erst mehr als zehn Jahre nach der Gründung konnten sie die ersten nennenswerten Umsätze verbuchen. Doch die Geduld hat sich ausgezahlt: WeGrow ist auf dem Weg an die Börse.
Das Produkt des jungen Unternehmens sind Bäume – und zwar in unseren Breiten bislang ziemlich unbekannte: Der Kiribaum ist der wohl am schnellsten wachsende Baum der Welt. Bis zu sechs Meter wird er pro Jahr größer, nach etwa zwölf Jahren kann schon geerntet werden. Das Holz ist extrem leicht und für verschiedene Anwendungen besonders geeignet, zum Beispiel den Bau von Saunabänken. Einen großen Markt sehen die beiden Gründer auch bei Campern und Wohnwagen: Denn hier gibt es wegen immer ausufernden Ausstattungswünschen der Kunden häufig Probleme mit der Maximallast – das leichte Kiriholz kann für die Innenausstattung verwendet werden und laut den WeGrow-Gründern Dutzende Kilo Gewicht sparen.
Begonnen hat alles mit ein paar Sämlingen auf der Fensterbank einer Studentenbude in Bonn. Durch einen Gärtner aus dem Botanischen Garten der ehemaligen Bundeshauptstadt war der angehende Agraringenieur Peter Diessenbacher 2005 am Lehrstuhl für nachwachsende Rohstoffe auf den aus Asien stammenden Kiribaum aufmerksam geworden. Er ließ sich Saatgut geben und legte los. Die Idee zu einem eigenen Unternehmen entwickelten seine Partnerin Allin Gasparian und Diessenbacher gemeinsam – beide kannten sich bereits aus Schulzeiten in Bremen. Gasparian brachte als Volkswirtin das ökonomische Know-how mit. 2009 wurde WeGrow aus der Taufe gehoben, zwei Jahre später die erste Anbaufläche für Kiribäume in Deutschland realisiert. Mehrere eigene Züchtungen hat WeGrow bis heute patentieren lassen.
Vor einigen Wochen wurde die erste Plantagenernte eingefahren. Der Weg dahin war lang. Doch in der Zwischenzeit konnten diverse Investoren von der Idee nachhaltiger Holz-Produktion überzeugt werden. Denn WeGrow nutzt für den Anbau landwirtschaftliche Flächen, die Bäume speichern durch ihr schnelles Wachstum etwa das Drei- bis Vierfache pro Jahr mehr an CO2 als normaler Mischwald und wachsen nach der Fällung einfach wieder nach. Zudem eignet sich der schlanke, schmale Baum als Mischkultur mit Gemüse – wenn die Kiribaum-Reihen weit genug aus einander stehen, funktioniert das laut Studien sogar mit einem Ertragsgewinn angesichts eines besseren entstehenden Mikroklimas.
Die erste substanzielle Finanzspritze kam von Gasparians früherem Chef. Insgesamt 35 Mill. Euro an Eigenkapital sowie 20 Mill. Euro über Unternehmensanleihen haben Gasparian und Diessenbacher in den vergangenen Jahren eingesammelt, haben auf Messen für grünes Geld für ihre Idee geworben und nachhaltig fokussierte Finanzberater überzeugt. „Die Propekte haben wir selbst geschrieben“, betont Gasparian. Banken sind bis heute außen vor. 2021 stiegen die ersten institutionellen Investoren ein – unter anderem eine Pensionskasse aus Basel.
Marktwert 160 Mill. Euro
Als Gründer-Duo haben Gasparian und Diessenbacher sogar eine schwierige persönliche Phase überstanden: Ihre Ehe scheiterte vor neun Jahren, geschäftlich harmonieren sie bis heute bestens. Aktuell feilen sie an ihrer finanziellen Wachstumsstrategie. Eine öffentliche Kapitalerhöhung läuft gerade. Bis Ende April konnten Anleger die WeGrow-Aktie für 7,65 Euro zeichnen, seitdem kostet sie 8,50 Euro. Bis zu 6 Mill. Aktien sollen platziert werden. Mit der laufenden Emission kommt das junge Unternehmen, das mittlerweile im niederrheinischen Tönisvorst residiert, auf einen Marktwert von rund 160 Mill. Euro. Geschafft haben das Gasparian und Diessenbacher nicht nur mit Baum-Plantagen. Ihr Geschäftsmodell ist viel breiter aufgestellt. In einem Labor und mehreren Gewächshäusern am Firmensitz züchtet WeGrow Jungpflanzen und verschickt sie in alle Welt. Das dritte Standbein ist der Aufbau einer Holzverarbeitung und Holzhandel. „Wir haben uns lange vorbereitet und steuern die Expansion sorgfältig“, betont Gasparian. Und wo liegen die größten Risiken für WeGrow? „Der Kiribaum ist wählerisch, was den Boden angeht“, sagt Diessenbacher. Längst nicht jede Anbaufläche eigne sich. Außerdem seien die Pflanzen sturmanfällig durch den hohen Wuchs. Das Geschäft ist deshalb beratungsintensiv.
Noch in diesem Jahr ist das Listing im Freiverkehr an der Börse Düsseldorf geplant. „Für uns ist das ein logischer Schritt“, sagt Gasparian. Von 2025 an soll WeGrow dann schwarze Zahlen schreiben.