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Moralische Pflicht und unmoralisches Angebot

cd - Es sei seine "moralische Pflicht' gewesen, das Angebot des Aufsichtsrats zum Erwerb eigener Aktien auch anzunehmen, hat Carsten Kengeter, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Börse AG, seinen Kauf von Deutsche-Börse-Aktien im Wert von 4,5 Mill....

Moralische Pflicht und unmoralisches Angebot

cd – Es sei seine “moralische Pflicht’ gewesen, das Angebot des Aufsichtsrats zum Erwerb eigener Aktien auch anzunehmen, hat Carsten Kengeter, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Börse AG, seinen Kauf von Deutsche-Börse-Aktien im Wert von 4,5 Mill. Euro jetzt bei einer Veranstaltung in Frankfurt gerechtfertigt. Weiß der Börse-Chef, was er da sagt? Im Pflichtenheft eines Vorstands steht jedenfalls zuvorderst die Einhaltung der Gesetze und Vorschriften, und zwar jenseits gefühlter moralischer Verpflichtungen. Dies gilt auch für die Beziehungen zwischen den Organen einer Gesellschaft wie Aufsichtsrat und Vorstand. FehleinschätzungenUmgekehrt wird deshalb ein Schuh draus: Kengeter hätte, falls er auch nur den geringsten Zweifel an der Rechtmäßigkeit und Angemessenheit des Aktienkaufs zu diesem Zeitpunkt selbst gehabt hatte oder Zweifel von Dritten an ihn herangetragen wurden, dieses “unmoralische Angebot” des Aufsichtsrats strikt ablehnen müssen. Die Kategorie “moralische Pflicht” ist hier jedenfalls fehl am Platze. Denn wenn es danach ginge, müsste man auch erwarten, dass Vorstands- und auch Aufsichtsratsvorsitzender nach dem abermals gescheiterten Fusionsanlauf mit London umgehend ihre Sachen packen und ihre Ämter niederlegen, zumal auch erhebliche Fehleinschätzungen beider zum Scheitern beigetragen haben.Aber um moralische oder Anstandsfragen geht es beim Verdacht auf Insiderhandel nicht, sondern um juristische Bewertungen. Und da ist es schlimm genug, dass weder der Aufsichtsrat noch die Chefjuristen und Compliance-Verantwortlichen der Deutschen Börse noch die hinzugezogene externe Kanzlei so viel Fingerspitzengefühl gezeigt haben, in einer Frühphase der zwei Monate später offiziell bestätigten Fusionsgespräche mit London auf die Problematik des Aktienkaufs hinzuweisen und den Verzicht zu empfehlen. Damit birgt der Aktienerwerb durch Kengeter nun das Risiko, genau das Gegenteil des ursprünglichen Zweckes zu bewirken, nämlich den Vorstandsvorsitzenden dauerhaft ans Unternehmen zu binden.