Neuer Hafenverbands-Präsident ermahnt Bundesregierung
Neuer Hafenverbands-Präsident ermahnt Bundesregierung
Neuer Hafenverbands-Präsident mahnt Bund
ste Hamburg
Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) hat mit Sebastian Jürgens einen neuen Präsidenten. Die Mitgliederversammlung des Bundesverbandes, der die Interessen von rund 140 Betrieben in den Häfen von Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vertritt, wählte den 62 Jahre alten Geschäftsführer der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG) am Mittwoch zum Nachfolger von Angela Titzrath. Die 59-Jährige, seit drei Jahren an der Spitze des Verbandes, hatte ihren Haupt-Job als Vorstandschefin der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) Ende September nach knapp neun Jahren vorzeitig aufgegeben. Grund war ein offensichtlich zerrüttetes Vertrauensverhältnis zur Stadt Hamburg als Mehrheitseigentümerin des größten Hamburger Containerterminalbetreibers.
Der neue Verbandspräsident Jürgens steht seit 2014 an der Spitze der größten Hafenbetreiberin Lübecks. Zuvor gehörte der Jurist und promovierte Philosoph von 2009 an selbst dem Vorstand der HHLA an, zuständig für das Geschäft mit dem Hinterlandverkehr. Für das Intermodal-Ressort war Jürgens davor auch als Bereichsvorstand der Deutschen Bahn verantwortlich. Seine Karriere hatte er bei der Unternehmensberatung McKinsey begonnen.
„Akuter Modernisierungsstau“
Dem Präsidium des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe, in dem jeweils eine Person der fünf beteiligten Küstenländer vertreten ist, gehört Jürgens seit 2019 an. Seit 2022 war er Vizepräsident. Zum Antritt an der ZDS-Spitze forderte Jürgens die Bundespolitik auf, die Verantwortung für die Seehäfen in Deutschland nun nicht mehr allein den Bundesländern zu überlassen. „Der Bund muss hier stärker in die Pflicht.“ Die Seehäfen kritisieren seit langem mangelndes Engagement in Berlin und fehlende Investitionen in die öffentliche Hafeninfrastruktur. Der Verband spricht von einem „akuten Modernisierungsstau“ und beziffert diesen aktuell mit rund 15 Mrd. Euro. Die Vernachlässigung der Seehäfen in den vergangenen Jahrzehnten gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und auch den Erfolg von Energie- und sicherheitspolitischer Zeitenwende.
Zuletzt hatten der Hafenverband und der Deutsche Gewerkschafts-Bund (DGB) in einer gemeinsamen Erklärung die am 13. November getroffene Entscheidung im Haushaltsaussschuss des Bundestages begrüßt, 1,35 Mrd. Euro für Ausbau und Modernisierung des Hafens Bremerhaven bereitzustellen. Mit der Entscheidung signalisiere der Bund, seine Verantwortung für die strategische Bedeutung der Seehäfen im Bereich der Verteidigung ernstzunehmen. Der Beschluss könne aber nur ein erster Schritt sein. Für die Verteidigungsfähigkeit und Resilienz Deutschlands sei entscheidend, dass mehrere Hafenstandorte an Nord- und Ostsee in die militärische Planung einbezogen und entsprechend finanziell berücksichtigt würden. Um die Infrastruktur in den deutschen Seehäfen und deren Hinterland auf militärische Zwecke einzurichten, werden nach Einschätzung des Hafenverbands Investitionen von insgesamt rund 3 Mrd. Euro benötigt.
„Historische Chance“
Im Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes von 500 Mrd. Euro sieht der ZDS „eine historische Chance“, die Hafen-Infrastrukturen zu modernisieren. Neben den für erforderlich angesehenen 15 Mrd. Euro hält der Verband dauerhaft eine jährliche Grundfinanzierung von 500 Mill. Euro für notwendig, um weitere Sanierungsstaus zu vermeiden. Der neue ZDS-Präsident Jürgens kritisierte nach seiner Wahl mit Blick auf das Sondervermögen eine „umfassende Zweckentfremdung“ der für zusätzliche Investitionen gedachten Mittel. „Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass bis zu jeder zweite Euro nicht für zusätzliche Ausgaben geplant ist.“
Die Zahlen zum als notwendig betrachteten Investitionsbedarf sind nicht neu. Auch die bisherige ZDS-Präsidentin Titzrath hatte sie bereits verwendet. Zuletzt wurde die Beteiligung des Bundes an den Hafeninfrastrukturen mit lediglich rund 38 Mill. Euro pro Jahr beziffert. Die deutschen Seehäfen, so der neue Verbandspräsident Jürgens, seien „Herzkammern des globalen Handels“. Über sie laufe der Großteil des deutschen Außenhandels. Sie sicherten Millionen Arbeitsplätze und seien Grundlage für den Wohlstand in Deutschland sowie für das Gelingen von Energie- und Zeitenwende.
