Deutsche Bank

Paul Achleitner 65

Im Mai tritt Paul Achleitner als Aufsichtsratschef der Deutschen Bank ab. Seit Monaten beschäftigt den Finanzplatz die Frage der Nachfolge für den Österreicher, der am Dienstag 65 Jahre alt wird.

Paul Achleitner 65

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Diese sich langsam, aber sicher steigernde Spannung, für welche der im kommenden Mai anstehende Wechsel an der Aufsichtsratsspitze der Deutschen Bank sorgt, hätte der Regisseur eines Thrillers kaum besser inszenieren können: Nachdem schon im Frühjahr Anteilseigner auf baldige Klarheit darüber gedrungen hatten, wer künftig anstelle von Paul Achleitner dem Kontrollgremium vorsitzen werde, nachdem bald auch die Bankenaufsicht den Druck erhöhte und nun schon seit Monaten eine Spekulation die nächste jagt, ist dem Konzern in diesen Tagen die volle Aufmerksamkeit des Marktes sicher – was nur zeigt, wie relevant dieses Haus ist. So lautet die maximal wohlmeinende Interpretation der Lage.

Zyniker hingegen könnten anmerken, Paul Achleitner nehme die Regelung seiner Nachfolge zum Anlass, zum Abschied aus der Bank ein letztes Mal zu vergeigen, tut sich die Bank doch offenkundig schwer damit, die Personalie zur Zufriedenheit der Stakeholder zu klären. In Kreisen der Bank hält man dagegen: Andere Konzerne entschieden auch nicht zu früheren Zeitpunkten über solche Personalien; hätte die Bank schon vor Monaten Vollzug gemeldet, wäre Achleitner umgehend zur lahmen Ente geworden, während man seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin zerredet hätte, wird auch argumentiert. Einschätzungen, denen zufolge die im Markt als „Personalie des Jahres im deutschen Bankenmarkt“ apostrophierte Entscheidung sich im Herbst klären dürfte, werden nicht dementiert.

Das Feld lichtet sich

Je länger das Warten dauert, um so eher scheinen gleichwohl die potenziellen Nachfolgekandidaten, sämtlich männlich, aus dem Rennen zu scheiden. Schon im Mai winkte Aufsichtsmitglied und Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer ab und erklärte, er stehe derzeit nicht zur Verfügung, weil er seinen bis 2024 laufenden Vorstandsvertrag beim Frankfurter Marktbetreiber erfüllen wolle. Mitte August erklärte dann Aufsichtsrat Norbert Winkeljohann dem „Manager Magazin“, er fühle sich mit seinen Mandaten und Funktionen bereits „sehr gut ausgelastet“. Sollte die Bank in den knapp zehn Jahren, die Achleitner dem Aufsichtsrat nun vorsitzt, es versäumt haben, die Basis für seine Nachfolge zu legen? „Die kontinuierliche Suche nach geeignetem Personal ist eine der Kernaufgaben von Aufsichtsratsvorsitzenden in Zusammenarbeit mit dem Nominierungsausschuss“, erklärte Achleitner erst zur Wochenmitte auf dem 10. Frankfurter Aufsichtsratstag. Ein dritter Kandidat aus dem Kontrollgremium, der ehemalige Volkswagen-Finanzchef Frank Witter, kann jedenfalls schon deshalb nicht Teil einer ordnungsgemäßen Nachfolgeplanung sein, weil er im Jahresverlauf unversehens für Aufsichtsrat Alexander Schütz einsprang, nachdem dieser mit einer gegen die „Financial Times“ gerichteten Mail an Wirecard-Chef Markus Braun unpräsentabel geworden war.

Als apodiktisch will man in Kreisen der Bank die jüngste Aussage von Aufsichtsrat Winkeljohann gleichwohl nicht verstanden wissen. Stünde der Aufsichtsratschef von Bayer tatsächlich bereit, würde sich im Nachhinein jedenfalls der Beschluss der Bank gut fügen, ihrem Prüfer EY ungeachtet des Wirecard-Skandals nach einer Neuausschreibung des Mandats abermals den Zuschlag zu geben und nicht zu Konkurrent PwC zu wechseln. Dessen Europa-Geschäft hat Winkeljohann vor Jahren geleitet, und seine Berufung an die Aufsichtsratsspitze der Deutschen Bank könnte Diskussionen um etwaige Interessenkonflikte nach sich ziehen. Diesen hat Achleitner selbst entgegengewirkt, indem er schon im Juli vergangenen Jahres die Leitung des Nominierungsausschusses abgab, um den Nachfolgeprozess einzuleiten. Seither gingen 14 Monate ins Land, in denen die ehemalige Investmentbankerin Mayree Clark auch mit externer Hilfe eine neue Aufsichtsratsspitze sucht.

„Kein Kandidat wird alle Kriterien voll und ganz erfüllen können“, gab Achleitner dem Aufsichtsratstag und wohl auch Clark zur Wochenmitte mit auf den Weg. „Es gilt also, die Person zu finden, die dem Zielbild möglichst nahe kommt – und das ist ein iterativer Prozess. Das zur Theorie. Irgendwelche Parallelen zu realen Unternehmen oder Prozessen sind natürlich rein zufälliger Natur.“

Als iterativen Prozess dürften nicht nur Zyniker auch Achleitners Wirken an der Spitze des Kontrollgremiums bezeichnen, schließlich hatte er seit Amtsantritt 2012 neben mehreren Wechseln an der Vorstandsspitze auch einige strategische Volten zu verantworten – ganz abgesehen von einer Nahtoderfahrung des Instituts 2016, nachdem das US-Justizministerium wegen Vergehen im Hypothekengeschäft eine die Bank potenziell ruinierende Rechnung über 14 Mrd. Dollar aufgemacht hatte.

Ungebrochen selbstbewusst

Auf einem anderen Blatt steht freilich, welche Haltungsnoten sich andere Kräfte an der Spitze des Aufsichtsrats eines zumindest anfangs noch deutlich unterkapitalisierten, strategisch maroden und mit Rechtsrisiken überladenen Instituts verdient hätten. Und überhaupt: Welcher Manager oder welche Managerin hätte sich damals als Aufsichtsratschef dieses Haftungsrisiko antun wollen? Außer Frage steht, dass Achleitner und das von ihm geleitete Gremium 2018 eine gute Wahl trafen, als sie Privatkundenvorstand Christian Sewing in den Vorstandsvorsitz beriefen. Das Deutsche-Bank-Eigengewächs hat die Bank mit einem tiefgreifenden Umbau sukzessive stabilisiert und nach Jahren in die schwarzen Zahlen zurückgeführt. Achleitners Selbstbewusstsein war schon zuvor ungebrochen. Wenn sich Aufsichtsratsspitzen deutscher Banken zum Austausch trafen, machte der Österreicher schon am meisten Aufhebens, als die von ihm beaufsichtigte Bank noch verlässlich Milliardensummen verbrannte, wie kolportiert wird.

Bei aller Ungewissheit mit Blick auf die Aufsichtsratsspitze darf doch prognostiziert werden, dass die Personalie nicht geklärt wird, bevor der Amtsinhaber die gesetzliche Regelaltersgrenze erreicht: Am Dienstag kommender Woche feiert Prof. Dr. rer. pol. HSG Paul Achleitner den 65. Geburtstag.

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