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ProSieben sucht unter Zeitdruck neuen Chef

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 21.11.2017 Es war ein Rücktritt, der nicht mehr überraschend kam: Der langjährige Vorstandsvorsitzende von ProSiebenSat.1, Thomas Ebeling, verlässt das Unternehmen vorzeitig nach der Bilanzpressekonferenz...

ProSieben sucht unter Zeitdruck neuen Chef

Von Stefan Kroneck, MünchenEs war ein Rücktritt, der nicht mehr überraschend kam: Der langjährige Vorstandsvorsitzende von ProSiebenSat.1, Thomas Ebeling, verlässt das Unternehmen vorzeitig nach der Bilanzpressekonferenz am 22. Februar 2018. Darauf verständigten sich nach Unternehmensangaben “einvernehmlich” der Aufsichtsrat und der 58-Jährige. Die Anleger reagierten auf den Abschied des Konzernchefs 20 Monate vor dessen Vertragsablauf mit Erleichterung. Die Aktie der Fernseh- und Internetgruppe gewann am Montag in der Spitze 4,7 % an Wert und beendete den Xetra-Handel bei 26,11 Euro (+ 3,2 %). Damit war die Talfahrt des Papiers vorerst gestoppt.Zuvor machte das Dax-Mitglied mit Kurseinbrüchen nach einer Serie von Prognosesenkungen fürs TV-Werbegeschäft sowie einer Umsatz- und Gewinnwarnung Schlagzeilen (vgl. BZ vom 10. November). Die Investoren verloren zunehmend das Vertrauen in Ebelings strategischen Anspruch, das TV-Geschäft und die Internetaktivitäten unter einem Dach erfolgreich zu verbinden. Das Fass zum Überlaufen brachte der Topmanager selbst, als er vorige Woche auf einer Analystenkonferenz in englischer Sprache sich über die Fernsehzuschauer der TV-Konzernsender beleidigend äußerte (vgl. BZ vom 16. November). Werbekunden reagierten darauf wohl irritiert. Spätestens nach diesem Vorfall war absehbar, dass seine Tage an der Spitze des Unternehmens gezählt sind.Aufsichtsratschef Werner Brandt muss nun unter Zeitdruck einen Nachfolger für Ebeling installieren – am besten bis Ende Februar, damit eine Übergabe noch weitgehend reibungslos vonstattengehen kann.Um sich aber für den Fall zu wappnen, dass bis dahin keine Entscheidung gefallen ist, ernannte das Kontrollgremium mit sofortiger Wirkung den für External Affairs & Industry Relations zuständigen Vorstand Conrad Albert (50) zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden. Damit hätte der Jurist gute Chancen, Ebeling zu beerben, falls man nicht extern fündig wird. “Unsere Nachfolgesuche fokussiert auf eine Persönlichkeit, die die hervorragende Arbeit von Thomas Ebeling fortsetzt und die Diversifikation und die digitale Transformation mit ebenso unternehmerischem Weitblick weiter vorantreibt”, ließ sich Brandt zitieren.Das Kontrollgremium unter Leitung des ehemaligen Finanzvorstands von SAP sucht bereits seit einiger Zeit einen Nachfolger für Ebeling, nachdem dieser in einem Interview überraschend angekündigt hatte, für eine weitere Vertragsverlängerung nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Das konnte man als Anzeihen einer Amtsmüdigkeit werten, schließlich führt der studierte Psychologe das Unternehmen seit fast neun Jahren. Ebelings Vertrag läuft Mitte 2019 aus.Seit einigen Monaten liefen die Dinge für den Chef des Unternehmens aus Unterföhring bei München nicht mehr gut. Vier gesenkte Prognosen für den deutschen TV-Werbemarkt in Folge wirkten wie ein Eingeständnis dafür, dass das Management den Überblick über die rasanten strukturellen Umbrüche in der Branche verloren hat. Hinzu kamen im Sommerquartal Probleme mit der TV-Produktion. Abschreibungen auf das Programmvermögen schlugen im dritten Quartal mit 170 Mill. Euro ins Kontor. Grund hierfür waren Fehlplanungen bei US-Serien. Die Ware aus Amerika kommt bei den Zuschauern nicht mehr so gut an. Zugleich wird das digitale Angebot aus Zukäufen unübersichtlicher. Das lässt Zweifel aufkommen, dass zwischen dem klassischen TV-Geschäft und den Internetaktivitäten überzeugende Synergien zu realisieren sind.Ungeachtet dieser kritischen Punkte will Brandt die von Ebeling eingeschlagene Ausrichtung des Unternehmens fortführen. Der Aufsichtsrat unterstützt weiterhin den Vorstand nach eigener Formulierung bei der Umsetzung der Drei-Säulen-Strategie. Dazu gehört das Zusammenlegen des Fernsehgeschäfts mit der defizitären Bezahlvideoplattform Maxdome, die mit dem US-Anbieter Netflix konkurriert. ProSiebenSat.1 will dies im kommenden Jahr vollziehen. Start als BranchenfremderEbeling übernahm Anfang 2009 den Chefposten von ProSiebenSat.1. Die beiden Finanzinvestoren KKR und Permira, denen seinerzeit das Unternehmen gehörte, einigten sich auf den früheren Pharmamanager. Der Branchenfremde brachte den Konzern auf Kurs. Ebeling gewann das Vertrauen der Anleger. Die Strategie überzeugte zunächst. Der Penny Stock vollzog an der Börse einen Höhenflug. Der Aufstieg des Unternehmens in den Dax im März 2016 war für Ebeling die Krönung seines strategischen Konzepts. Doch danach ging es schrittweise bergab.—– Kommentar Seite 1