PERSONEN

Rote Karte für verhaltensauffällige CEOs

Von Daniel Schauber, Frankfurt Börsen-Zeitung, 13.2.2018 Die Vorwürfe wegen sexueller Belästigungen bei Uber und die Metoo-Bewegung haben den Blick auf inakzeptable Umgangsformen in den Topetagen geschärft. CEOs, die unangemessenes Verhalten an den...

Rote Karte für verhaltensauffällige CEOs

Von Daniel Schauber, FrankfurtDie Vorwürfe wegen sexueller Belästigungen bei Uber und die Metoo-Bewegung haben den Blick auf inakzeptable Umgangsformen in den Topetagen geschärft. CEOs, die unangemessenes Verhalten an den Tag legen, haben es schwerer denn je, sich zu halten. Allein in den vergangenen drei Wochen mussten die Chefs von drei großen börsennotierten nordamerikanischen Konzernen ihren Stuhl räumen, nachdem ihnen Missetaten vorgeworfen wurden.Knall auf Fall gehen mussten Steve Wynn, CEO des Kasinoriesen Wynn Resorts aus Las Vegas, Laurent Potdevin, Chef des Sportbekleidungsherstellers Lululemon aus dem kanadischen Vancouver, und Steve Smith, CEO des Datencenterspezialisten Equinix aus Redwood City in Kalifornien. Gemeinsam ist allen drei Ex-Unternehmenschefs auch, dass sie Firmen mit Marktkapitalisierungen im zweistelligen Milliarden-Dollar-Bereich vorstanden. Governance im BlickDie Form, in der die drei Abtritte erfolgten, könnte unterschiedlicher kaum sein. Wie verschieden die Firmen mit ihren gefallenen CEOs umgehen, hat möglicherweise mit den Eigenheiten ihres angeblichen Fehlverhaltens zu tun. Möglicherweise wirft es aber auch ein Schlaglicht auf die Corporate Governance in den Unternehmen.Größtes öffentliches Aufsehen erregte der Fall von Steve Wynn. Das “Wall Street Journal” hatte Ende Januar detailliert berichtet, dass dem 76-Jährigen sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden. Befragt zu den Vorwürfen, hatte er laut dem US-Blatt gesagt: “Der Gedanke, dass ich jemals eine Frau angegriffen habe, ist absurd”, bevor er am 6. Februar Knall auf Fall als CEO und Chairman zurücktrat. Der Board von Wynn Resorts unternahm in der Mitteilung keinerlei Anstrengung, sich von dem öffentlich in Ungnade gefallenen CEO zu distanzieren, im Gegenteil: Das Gremium erklärte trotzig, dass es “widerwillig bekannt gibt”, den Rücktritt von Steve Wynn als CEO und Chairman “akzeptiert” zu haben, was Fragen zur Unabhängigkeit des Board aufwirft. Steve Wynn kontrolliert über 20 % der Aktien der Gesellschaft. Boone Wayson, Non-Executive Chairman, ruft Steve Wynn zudem nach, dass der Board “mit einem kollektiven schweren Herzen” den Rücktritt “unseres Gründers, CEOs und Freundes” hinnehme, und preist ihn als “Philanthrop” und “geliebten Anführer”. Das Unternehmen besteht in der Mitteilung zudem darauf, dass Wynn Resorts sich “wie eh und je” verpflichtet fühle, ein “integrativer und unterstützender Arbeitgeber” zu sein. Ausdrücklich hält sich der Kasinobetreiber in der Mitteilung zugute, dass “mehr als 40 % des gesamten Managements von Wynn Las Vegas Frauen sind”, wobei offen bleibt, ob das alles besser oder eher noch schlimmer macht. “Geliebter Anführer” Steve Wynn selbst gefällt sich in der Rücktrittsmitteilung offenbar in der Opferrolle und erkennt Fehlverhalten sehr wohl bei anderen, nicht aber bei sich. Er habe sich in den vergangenen Wochen “im Mittelpunkt einer Lawine negativer Publicity” wiedergefunden, und “die dadurch geschaffene Umgebung”, in der “die Eile des Urteils Vorrang vor allem anderen hat, einschließlich der Fakten”, habe ihn zu dem Schluss gebracht, “dass ich in meinen derzeitigen Rollen nicht mehr effektiv sein kann”. Im Fall von Lululemon-Chef Laurent Potdevin hingegen distanziert sich das Unternehmen klar vom CEO, während die angeblichen Verfehlungen des 50-Jährigen im Dunkeln bleiben. Lululemon erklärte am 5. Februar lediglich, dass Potdevin bereits drei Tage zuvor seinen Posten verlassen habe, und sagte zur Begründung unverblümt: “Lululemon erwartet von allen Mitarbeitern ein Höchstmaß an Integrität und Respekt füreinander, und Herr Potdevin hat diese Verhaltensmaßstäbe nicht eingehalten.” “Richtiger Ton” fehlteGlenn Murphy, Executive Chairman, nutzt den Fall zugleich, um ein Exempel zu statuieren: “Kultur ist der Kern von Lululemon, und es liegt in der Verantwortung der Führungskräfte, den richtigen Ton in unserer Organisation zu setzen.” Die Kultur der Organisation zu schützen sei “eine der wichtigsten Aufgaben des Board”. Unklar bleibt, wieso der Lululemon-CEO zum Abschied im Rahmen einer Trennungsvereinbarung Zahlungen von insgesamt 5 Mill. Dollar erhält. Potdevin selbst äußert sich in der Mitteilung nicht zu seinem Abgang.Auch Equinix-Chef Steve Smith hatte in der Mitteilung vom 25. Januar zu seinem plötzlichen Rücktritt auf eine Stellungnahme verzichtet, und auch in seinem Fall blieb unklar, worin genau seine angeblichen Verfehlungen bestanden. “Mitarbeiterangelegenheit”Equinix erklärte lediglich, Smith habe “die schwierige Entscheidung getroffen”, als CEO auszuscheiden, “nachdem er ein schlechtes Urteilsvermögen in Bezug auf eine Mitarbeiterangelegenheit gezeigt hatte”. Executive Chairman Peter Van Camp erklärte, der Board habe “diese Angelegenheit” eingehend geprüft und Smiths Rücktritt “im besten Interesse der Gesellschaft” akzeptiert. Die plötzliche Häufung von CEO-Abtritten im Zusammenhang mit angeblichen oder tatsächlichen Missetaten dürfte kaum bedeuten, dass sich das Sozialverhalten von Topmanagern plötzlich dramatisch verschlechtert hat. Wahrscheinlicher ist, dass sich Eckbüro-Inhaber zuvor bei ähnlichen Fehltritten im Amt halten konnten, weil der öffentliche Druck noch nicht so groß war und Boards das Risiko eingehen konnten, schützend die Hand über sie zu halten. Und wenn doch einmal verhaltensauffällige Topmanager aus dem Amt entfernt werden mussten, dann bekamen sie selten öffentlich die rote Karte gezeigt, sondern man ließ sie offiziell ihren Hut nehmen, um “andere Gelegenheiten zu verfolgen” oder um “mehr Zeit mit der Familie zu verbringen”. Oder sie gingen “aus persönlichen Gründen”.