Wahl zum Aufsichtsrat

Siemens stimmt gegen Veronika Grimm

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat sich gegen den Widerstand ihrer Kollegen in den Aufsichtsrat von Siemens Energy wählen lassen. Ausgerechnet die Siemens AG entscheidet sich gegen sie.

Siemens stimmt gegen Veronika Grimm

Siemens stimmt gegen Veronika Grimm

jh München

Seit einigen Tagen ist die Frage der große Aufreger unter den Ökonomen in Deutschland: Darf ein Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einen Sitz im Aufsichtsrat eines Unternehmens einnehmen? Die Auseinandersetzung um die Aspekte Unabhängigkeit und Einflussnahme dürfte weitergehen. Denn am Montag hat die Hauptversammlung von Siemens Energy Tatsachen geschaffen: Veronika Grimm (52), seit April 2020 eine der fünf Weisen, wurde in das Kontroll- und Beratungsgremium des Energietechnikunternehmens gewählt.

Üblich sind für solche Entscheidungen Zustimmungsquoten von weit mehr als 90%. Grimm erhielt allerdings nur etwas mehr als 76%. Die zweite Kandidatin Simone Menne (63), ehemalige Finanzchefin der Lufthansa, wurde mit 96,6% Ja-Stimmen gewählt.

Begründung: ein Interessenkonflikt

Siemens Energy verkündete, im Wesentlichen habe ein einzelner Aktionär gegen Grimm gestimmt. Ohne dessen Votum hätte sie 99,57% erreicht. Es ist ausgerechnet der ehemalige Mutterkonzern Siemens, der mit der Wahl der Ökonomin nicht einverstanden ist. Mit 17% ist Siemens der größte Aktionär. Da nicht alle Aktionäre am Ende der virtuellen Hauptversammlung abstimmten und sich an Grimms Wahl 56,5% des Grundkapitals beteiligten, fiel der Anteil von Siemens stärker ins Gewicht.

Siemens macht aus der Ablehnung Grimms keinen Hehl: "Im Vorfeld des Abstimmungsverfahrens sind zuvor nicht bekannte Bedenken öffentlich gemacht geworden, die sowohl den Erfolg von Prof. Grimm als Aufsichtsratsmitglied für Siemens Energy als auch als Mitglied des Expertenausschusses beeinträchtigen würden", heißt es in einer Stellungnahme des Konzerns. "Aufgrund dieses Interessenkonflikts hat die Siemens AG nicht für die Ernennung gestimmt."

Eine Ohrfeige auch für Joe Kaeser

Das ist nicht nur eine Ohrfeige für Grimm, sondern auch ein Tritt gegen das Schienbein von Joe Kaeser, dem Aufsichtsratsvorsitzenden von Siemens Energy und früheren Vorstandschef der Siemens AG. Verwunderlich ist das Votum zudem, weil Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas bis zur jüngsten Hauptversammlung im Aufsichtsrat von Siemens Energy und dessen Nominierungsausschuss war. Kaeser berichtete einige Stunden vor der Wahl, der Ausschuss habe sich einstimmig für Grimm ausgesprochen. Schon im Dezember des vergangenen Jahres hatte das Unternehmen bekannt gemacht, Grimm und Menne für die Wahl vorzuschlagen.

Der Sachverständigenrat will nach der Berufung von Grimm nun intern klären, wie mit dem umstrittenen Thema umgegangen wird.

In einem Gastbeitrag für die Börsen-Zeitung empfiehlt der Wirtschaftsprofessor Klaus Fleischer den fünf Weisen dringend einen Kodex für Compliance und Government.

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