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Siemens öffnet Weg für Kaeser in Aufsichtsrat

Von Michael Flämig, München Börsen-Zeitung, 20.9.2019 Konfrontation oder Kooperation? Als Siemens am Mittwochabend den Vorstand Roland Busch (54) zum Kronprinzen ausrief und damit das Ende der Amtszeit des Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser (62)...

Siemens öffnet Weg für Kaeser in Aufsichtsrat

Von Michael Flämig, MünchenKonfrontation oder Kooperation? Als Siemens am Mittwochabend den Vorstand Roland Busch (54) zum Kronprinzen ausrief und damit das Ende der Amtszeit des Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser (62) einläutete, blieb extern offen, ob Aufsichtsratschef Jim Hagemann Snabe (53) dies mit oder gegen Kaeser durchgesetzt hatte. Mittlerweile ist klar: Sie ziehen zumindest aktuell weiter an einem Strang. Snabe ohne AllürenFür Kaeser dürfte dies keine Selbstverständlichkeit sein. Schließlich wird ihm mit einem denkbaren Abschied zum Vertragsablauf Anfang 2021 die Möglichkeit genommen, dem Industrie-Kerngeschäft durch eine kolossale Fusion – die er im Mai als “Merger-Endgame” bezeichnete – nochmals seinen Stempel aufzudrücken. Doch laut Unternehmenskreisen wird Kaeser dem Münchner Konzern nicht den Rücken kehren, sondern hat die Chance, ihn weiterhin zu prägen. Er könne damit rechnen, nach zwei Jahren Abkühlungsphase in den Siemens-Aufsichtsrat einzuziehen und dort den Vorsitz zu übernehmen.Dies erstaunt auf den ersten Blick. Schließlich ist Snabe vergleichsweise jung und keinesfalls amtsmüde. Im Gegenteil: Mit dem Personal-Coup hat er bewiesen, dass er das Aufsichtsratshandwerk beherrscht. Außerdem versteht er sich als wertschaffend für das Unternehmen – durchaus über das Jahr 2021 hinaus, wenn seine Wiederwahl ansteht.Trotzdem passt die Absprache eines derartigen Wechsels. Denn Snabe sind Allüren gänzlich fremd. Er ist weltweit überall gut vernetzt, polyglott unterwegs, im Heimatland Dänemark eine unumstrittene Größe, pflegt eine umgängliche Art, sein Glück hängt nicht an einem bestimmten Mandat. Zudem schätzt Snabe seinen Vorstandschef beispielsweise für seine Detailkenntnisse. Sie sind Geistesverwandte, ohne sich distanz- und kritiklos zu begegnen. Snabe könnte also guten Gewissens und ohne Reue gehen. Immerhin würde er dann mindestens ein Jahrzehnt im Siemens-Aufsichtsrat gewesen sein und hätte rund die Hälfte dieser Zeit an seiner Spitze gestanden.Doch dies ist Zukunftsmusik, es kann sich im Lauf der Jahre viel ändern. Ein Scheitern von Busch und eine Verlängerung des Kaeser-Vertrags um zwei Jahre würde den Wechsel in den Aufsichtsrat aber nicht gefährden, sondern nur verzögern und eher an den Rhythmus der Aufsichtsratswahlen anpassen.Währenddessen ruhen aller Augen auf Busch. Eigentlich ist es Routine für langfristig geplante Führungswechsel bei Siemens, dass der künftige Vorstandsvorsitzende erst einmal zum Stellvertreter berufen wurde. Zuletzt haben Klaus Kleinfeld und Heinrich v. Pierer diese Station passiert auf ihrem Weg nach oben. Aber fast nie wurde dies so ausdrücklich als Probezeit deklariert wie im Fall von Busch. Dieser Tonfall erstaunt, schließlich kennt der Manager den Konzern ausgezeichnet: Er hat eine lupenreine Siemens-Karriere absolviert, ist schon seit acht Jahren Vorstandsmitglied und in dem Gremium seit dem Jahr 2017 sogar herausgehoben als Chief Operating Officer. Vorsicht gegenüber Busch Die Vorsicht im Aufsichtsrat und Unternehmen kratzt an der Ehre. Sie legt aber eine gewisse Skepsis offen, ob Busch tatsächlich die Transformation managen kann, die beispiellos ist für einen deutschen Industrieriesen. Busch war bisher ein Fachvorstand, künftig muss er der Mann für das große Ganze sein. Auch dem Kapitalmarkt wird Busch relativ schnell die Strategie erklären müssen. Der Kontakt zu Investoren gehörte in seiner Laufbahn noch nicht zu seinem Aufgabenbereich.