Ungewöhnlicher Stabwechsel bei Kreditgenossen im Ländle
Ungewöhnlicher Stabwechsel
bei Kreditgenossen im Ländle
Von Thomas Spengler, Stuttgart
An der Spitze des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV) vollzieht sich ein nicht ganz alltäglicher Führungswechsel. Während der scheidende Roman Glaser ein Präsident ist, der einen Überzeugungstäter in Sachen Genossenschaftswesen verkörpert, bringt sein Nachfolger Ulrich Theileis viel Erfahrung, aber kaum genossenschaftlichen Stallgeruch mit.
Tatsächlich reicht das genossenschaftliche Engagement in der Familie Glaser drei Generationen zurück, nachdem der Urgroßvater im heimischen Ottersweier in Baden schon im 19. Jahrhundert als Rechner (heute: Geschäftsführer) der dortigen Spar- und Kreditbank-Raiffeisenbank fungierte. Noch bis zu Glasers Geburtsjahr 1961 tätigten seine Großeltern Bankgeschäfte in der eigenen Wohnstube.
Geno-Prinzip in die Wiege gelegt
Dem heute 62-Jährigen wurde das genossenschaftliche Prinzip in die Wiege gelegt. „Bereits mit sechs Jahren durfte ich immer mit dem Opa auf Kundenbesuch“, erinnert sich Glaser heute. Kein Wunder also, dass sich seine gesamte berufliche Laufbahn innerhalb der Genossenschaftsorganisation vollzogen hat.
Als der gebürtige Baden-Badener 2013 die Präsidentschaft beim BWGV übernahm, verteilten sich die rund 780 Genossenschaften im deutschen Südwesten auf 50 Branchen – „vom Dorfladen bis Intersport“. Inzwischen sind zwar weitere Branchen etwa aus der Pflege, dem Gesundheitswesen oder der Daten-Ökonomie hinzugekommen.
Karrierestart bei Deloitte
Um derartige Entscheidungsprozesse zu verstehen, arbeitet sich gerade Glasers Nachfolger Theileis in die genossenschaftlichen Strukturen ein, bevor er am 1. Januar zum Präsidenten des BWGV avanciert. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler war seit 2012 fast zehn Jahre im Vorstand der L-Bank tätig und heuerte 2022 als Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche an, wo er 1996 seine Karriere begonnen hatte.
Dass die Struktur der genossenschaftlichen Gruppe nicht so einfach zu verstehen sei, gesteht er gerne zu. Aber am Ende komme es immer darauf an, Mehrheiten für eigene Ideen zu gewinnen. „Ich kann nur bedingt durchregieren“, so Theileis. Ohnehin könne es von Vorteil sein, nicht von vornherein in der eigenen Organisation verwurzelt zu sein. „In gewissem Sinn bin ich freier, wenn es um sektorübergreifende Zusammenarbeit von beispielsweise Waren- mit Kreditgenossenschaften geht“, sagt er. Defizite macht Theileis für seine neue Organisation zum Beispiel bei der Jugend aus.
Nur "bedingt sexy"
„Volksbanken sind für diese Klientel nur bedingt sexy“, konstatiert er, das müsse sich ändern. Und wie? TV-Spots, wie sie derzeit laufen, reichten nicht aus. Es gelte, diese mit jugendgerechten Finanzprodukten zu verbinden. Dann, so ist Theileis überzeugt, könnten auch Jugendliche wieder verstärkt für die genossenschaftliche Gruppe begeistert werden. Wohlwollend beobachten wird dies Glaser, der sich ab Januar um die Gestaltung seines Ruhestands kümmern will. Eine sinnstiftende Aufgabe könne er sich schon vorstellen – „gerne im Bereich des Genossenschaftswesens“.