Vor der Palastrevolte

Starmer steht mit dem Rücken zur Wand

Fast ein Viertel der Labour-Wähler findet, dass Keir Starmer abtreten sollte. Droht eine Palastrevolte?

Starmer steht mit dem Rücken zur Wand

Starmer steht mit dem Rücken zur Wand

von Andreas Hippin, London

Der britische Premierminister Keir Starmer wirkt nach fast anderthalb Jahren im Amt so verbraucht wie andere am Ende vom zwei Legislaturperioden. Geht es um seine Beliebtheit in Umfragen, nähert er sich langsam der glücklosen konservativen Ex-Premierministerin Elizabeth Truss. Fast die Hälfte der Labour-Wähler will einer aktuellen Yougov-Befragung zufolge nicht, dass er die Partei in den nächsten Wahlkampf führt. Fast ein Viertel (23%) war der Ansicht, dass er sofort abtreten sollte.

Dabei ist Starmer neben Tony Blair der einzige noch lebende Labour-Führer, der die Partei in einer Unterhauswahl zum Sieg geführt hat. Doch fehlt ihm der jugendliche Charme seines Vorgängers. Er ist zu sehr Machtpolitiker, versteht sich besser auf Geschäftsordnungstricks als darauf, Menschen zu begeistern. Er ist auch ein Technokrat, der Probleme pragmatisch angehen will, ohne ideologischen Ballast.

Kontrolle über die Fraktion

Die Kontrolle über die Fraktion zu behalten, steht für ihn im Mittelpunkt. Er warf seinen Vorgänger Jeremy Corbyn aus der Partei und bootete auch andere Gegner aus dem linken Flügel geschickt aus. Nun wurden aus 10 Downing Street Gerüchte gestreut, Gesundheitsminister Wes Streeting wolle Starmer entthronen, sollte der kommende Sparhaushalt von Schatzkanzlerin Rachel Reeves bei den Wählern schlecht ankommen. Er habe bereits 50 Abgeordnete hinter sich, wurde an die Presse durchgestochen.

Offenbar hält Starmers Strippenzieher Morgan McSweeney, der auch die dunkle Seite der Polit-PR zu beherrschen glaubt, Streeting für einen ernstzunehmenden Konkurrenten im Kampf um die Macht. Der reagierte prompt. Er wolle Starmer nicht herausfordern, sagte er der BBC. Er könne sich auch keine Umstände vorstellen, unter denen er „unserem Premierminister“ so etwas antun würde.

Hohe Hürden

Das mag sogar stimmen. Aber Streeting ist nicht der einzige, dem Interesse an Starmers Amt nachgesagt wird. Seine ehemalige Stellvertreterin Angela Rayner gehört dazu. Allerdings liegt die Steueraffäre, die ihr zum Verhängnis wurde, noch nicht lange genug zurück, um erfolgreich die Machtfrage stellen zu können. Hinzu kommt, dass Labour-Politiker, anders als Konservative, nicht dafür bekannt sind, ihren Premierministern das Messer in den Rücken zu rammen. Die Voraussetzungen für die Ablösung eines unbeliebten Parteichefs sind zudem ungleich schwerer zu erfüllen.

Rebellen bräuchten die Unterstützung von mindestens 20% der Unterhausabgeordneten der Partei. Das wären 80 Mandatsträger. Anders als bei den Tories gibt es kein 1922 Committee, an das man sich wenden könnte, um ein Misstrauensvotum einzuleiten. Zudem dürften sich Starmers Gegner darüber im Klaren sein, dass im Falle einer erfolgreichen Revolte Neuwahlen kaum zu vermeiden wären. Und dann wären die Chancen vieler Labour-Mandatsträger, erneut ins Unterhaus einzuziehen, gering, wenn man den aktuellen Meinungsumfragen Glauben schenkt. Das sollte viele dazu bewegen, den Ärger über Starmer erst einmal hinunterzuschlucken.

Der umtriebige Herr Burnham

Derweil bemüht sich Andy Burnham, der Bürgermeister von Manchester, um Unterstützer. Er entstammt der „Soft Left“, einer gemäßigt linken Strömung. Ihr ist auch Lucy Powell zuzurechnen, die von der Parteibasis zur Nachfolgerin Rayners gewählt wurde. Keine schlechte Ausgangsposition für Burnham, der bei den Staatsausgaben mehr Gas geben würde.

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