Thyssenkrupp-Chefin Merz geht

Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz hat den Aufsichtsrat überraschend um Gespräche über eine einvernehmliche Auflösung ihres Mandats gebeten. Der Rücktritt der 60 Jahre alten Top-Managerin kommt damit fast fünf Jahre vor dem Ende der Vertragslaufzeit.

Thyssenkrupp-Chefin Merz geht

Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz verlässt den angeschlagenen Konzern überraschend Ende Mai – fast fünf Jahre vor dem Ende der Vertragslaufzeit. Die Thyssenkrupp-Aktie verlor am Montag zeitweise 12,6% an Wert und war MDax-Schlusslicht. Seit November 2019 hat sich der Börsenwert halbiert auf 4 Mrd. Euro. Merz, die als Unternehmensberaterin zeitweise auch in den Aufsichtsräten von Lufthansa, SAF-Holland und Volvo saß, ist seit Oktober 2019 Vorstandschefin des Ruhrkonzerns. Gestartet war sie in einer fast aussichtslosen Situation für den Konzern – nach vier Gewinnwarnungen, zwei Chefwechseln und zwei Strategiewechseln binnen 15 Monaten. Sie wurde in der Notlage, die nach dem blitzartigen Rücktritt des Ex-Siemens-Managers Heinrich Hiesinger und dem ebenso überstürzten Rauswurf seines Nachfolgers Guido Kerkhoff entstanden war, zunächst aus dem Aufsichtsrat heraus entsandt, dessen Vorsitzende sie war, und sie war damals die erste Frau auf diesem Posten. Ihr im Mai 2022 verlängerter Vertrag als CEO sollte noch bis Ende März 2028 laufen.

Die Strukturen von Thyssenkrupp sind kompliziert und wurden vom Finanzinvestor und ehemaligen Großaktionär Cevian schon länger als ineffizient kritisiert. Die ehemalige Bosch-Managerin Merz, die beim weltweit größten Autozulieferer die Bremsensparte restrukturiert hatte, war zuletzt trotz lange Zeit mit ihr verbündeter Aktionäre wie der Krupp-Stiftung, deren Kuratoriumsvorsitzende Ursula Gather als Freundin von Merz galt, unter Druck geraten – unter anderem bei den mächtigen Arbeitnehmervertretern der IG Metall. Ihre Pläne für eine Abspaltung der Stahlsparte, für die der britische Finanzinvestor CVC eine unverbindliche Offerte vorgelegt hat, trafen auf Widerspruch. Der geplante Teil-Börsengang der Wasserstofftochter Nucera, der schon im vergangenen Jahr erfolgen sollte, lässt wegen des schlechten Marktumfelds ebenso wie der Verkauf der Kriegsschiffsparte Thyssenkrupp Marine Systems weiter auf sich warten.

Die Krupp-Stiftung als größte Aktionärin mit 20,9% der Anteile teilte mit: „Wir bedauern die Entscheidung von Martina Merz außerordentlich und danken ihr für ihr erfolgreiches Wirken an der Spitze der Thyssenkrupp AG.“ Die Erarbeitung der transformativen Strategie für das Unternehmen – inklusive des Verkaufs der Aufzugssparte TK Elevator im Februar 2020 für 17 Mrd. Euro an die Finanzinvestoren Advent und Cinven – habe den Konzern in einem „extrem herausfordernden Umfeld auf einen zukunftsfähigen Weg gebracht“. Die Stiftung wünsche dem designierten Nachfolger, Miguel Ángel López Borrego, viel Erfolg. „Persönlich danke ich Martina Merz für ihren großen unternehmerischen Einsatz und ihre stets wertschätzende Haltung. Ich bin überzeugt, dass Thyssenkrupp mit dem von ihr eingeschlagenen strategischen Kurs wettbewerbs- und dividendenfähig werden kann“, erklärte Stiftungschefin Gather.

„Wesentliche strategische Weichenstellungen sind erfolgt“, erklärte Merz. Für die Verselbständigung des Stahls seien vielversprechende Gespräche mit möglichen Partnern aufgenommen worden. „In der jetzt anstehenden Phase stehen finanzielle Expertise und die weitere Verbesserung der Performance im Vordergrund“, erklärte die Maschinenbauingenieurin. Da seien zusätzliche kaufmännische Kompetenzen sicher nützlich. „Für diese Schwerpunktsetzung will ich im Interesse des Unternehmens den Weg öffnen.“

Thyssenkrupp-Chefin Merz geht

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt